Die Assistentin

Informationen zu nutzen, könntest du natürlich auch die Lorbeeren einheimsen.”
    “Oder die Schande, wenn sich das Ganze als verrückte Sackgasse herausstellt.”
    Sie zog den Strohhalm heraus, nahm das Glas und trank. Nach mehreren Sekunden quälender Stille sagte sie: “Willst du jetzt wissen, was mit Lane Chandler ist oder nicht?”
    Rick konnte Menschen ziemlich gut einschätzen, doch bei Mimi wusste er nie, woran er war. “Natürlich will ich”, erwiderte er.
    Geschäftsmäßig klappte sie den Laptop auf und öffnete eine Datei. “Mir fiel ein, dass Lucia Cox vermutlich eine Zeitlang einen Bewährungshelfer hatte, nachdem sie aus der Haft entlassen worden war. Über diesen Weg bin ich tatsächlich auf ihre Spur gestoßen. Das Mädchen hat einen interessanten Lebenslauf, aber sie ist immer sauber geblieben.”
    “Keine Auffälligkeiten als Erwachsene? Nicht einmal irgendeine Aktennotiz?”
    “Sie ist blitzsauber. Im Gefängnis hat sie ihren Highschool-Abschluss gemacht. Draußen hat sie zunächst in einem billigen Hotel gearbeitet, wo sie alles war, von der Rezeptionistin bis zum Zimmermädchen. Ihr Bewährungshelfer ist mit ihr in Kontakt geblieben, selbst als sie aus dem Programm raus war. Er hat sich etwas Sorgen gemacht wegen eines Jobs, den sie zusätzlich angenommen hatte.”
    “Was war das für ein Job?”
    “Sie war Türsteherin in einem sogenannten Sportkabarett, was nichts anderes war als eine Oben-ohne-Bar.” Mimi zuckte die Achseln. “Anscheinend war der Job gut bezahlt. Tagsüber arbeitete sie in dem Hotel und abends in der Bar, um genug Geld fürs College zusammenzubekommen. Dabei ist sie gar nicht groß genug, um irgendjemanden ernsthaft aufhalten zu können, obwohl sie ziemlich schnell ist. Du weißt ja noch, wie sie getobt hat, als wir versuchten, sie aufs Revier zu bringen. Ihr Bewährungshelfer war jedenfalls so beeindruckt, dass er ihr geholfen hat, ein Stipendium zu bekommen.”
    Und ob Rick sich erinnerte. Sie war schnell gewesen – und verzweifelt. Sie hatte geschworen, ihr Freund sei krank und sie könne ihn nicht allein lassen. Als Rick versucht hatte, ihr Handschellen anzulegen, hatte sie sich losgerissen und dabei seine Unterlippe aufgerissen. Immer, wenn er daran dachte, musste er unwillkürlich die Narbe berühren.
    “Es sieht so aus, als könnte sie auch
in
der Bar gearbeitet haben”, fügte Mimi hinzu und sah auf den Monitor. “Sie stand allerdings nicht als Tänzerin, sondern als eine Art Hypnotiseurin auf der Bühne. Frag mich nicht, was sie da genau gemacht hat. Aber hier, hör zu, sie hat auch ehrenamtlich im Krankenhaus gearbeitet, auf der Frühgeborenenstation. Ihre Stimme hat die Babys beruhigt. Diese Informationen stammen alle von ihrem damaligen Bewährungshelfer.”
    Frühgeborene hatte sie betreut? Rick schüttelte den Kopf, aber er war nicht wirklich überrascht. Ohne Zweifel hatte sie eine sehr beruhigende Wirkung auf andere Menschen, wenn sie nur wollte. Und vermutlich konnte sie auch Babys gut in den Schlaf wiegen. Babys jeglichen Alters. Er musste an ihre Visitenkarten denken. Sie versprach einem die Sonne, den Mond und die Sterne. Lane würde alles tun, um ihren Kunden das Leben leichter und angenehmer zu machen.
Engagier mich, und dein Leben wird sich verändern. Ich bin dein Flaschengeist.
    Lane Chandler macht Wunder möglich.
    Immer wieder wiesen ihre Kunden genau darauf hin und lobten ihren Einsatz. Rick wusste nicht, wie viel davon bewusste Werbung war, die strategisch von ihr eingesetzt wurde, aber die Kunden schienen sich einig zu sein, dass Lane Chandler eine Frau war, die jedes Problem lösen konnte.
    Interessant, dass sie beide im Grunde dasselbe taten. Er löste ebenfalls Probleme. Und jetzt war sie zu einem geworden.
    “Wann hat sie ihren Namen offiziell geändert?”, fragte er Mimi.
    “Sobald sie nicht mehr unter der Obhut des Bewährungshelfers stand. Es sieht aus, als konnte sie es gar nicht abwarten, Lucy Cox sterben zu lassen.”
    Interessant. Rick hatte sich bereits eine Meinung über Lane Chandler gebildet, und er bezweifelte, dass sie sich geschmeichelt fühlen würde. Aber es passte nicht ganz zu dem, was Mimi ihm erzählt hatte. Es klang, als sei die erwachsene Frau sehr vielschichtig. Möglicherweise hatte sie sogar verschiedene Persönlichkeiten – Lucy, Lucia und Lane. Aber er hatte das Gefühl, dass es einen roten Faden gab, einen dominierenden Charakterzug, der sie hauptsächlich ausmachte.
    Als Ermittler wurde er