Die Assistentin
den Schwinger sah. Vielleicht hatte er eine Chance, wenn er kämpfte. Womöglich war das doch noch nicht seine letzte Nacht auf Erden.
Er drosch auf seinen Gegner ein, trieb ihn zurück und bearbeitete ihn wie einen Punchingball. Er spürte, wie der andere ins Wanken geriet – und hörte jemanden hinter seinem Rücken rufen: “Ich habe ihn! Er gehört mir!”
Mist, sie waren zu zweit. Als Rick sich umdrehte, schien etwas in seinem Kopf zu explodieren. Er sank auf die Knie und kämpfte darum, das Bewusstsein nicht zu verlieren. Ein weiterer Hieb auf den Schädel, und er brach zusammen, mit dem Gesicht nach unten. Fäuste bearbeiteten ihn. Rick krümmte sich zusammen, um sich zu schützen, doch schwere Stiefeltritte traktierten ihn immer weiter. Sie würden ihm die Seele aus dem Leib prügeln und nicht aufhören, bevor er tot war.
Der Schmerz verdrängte alles andere.
Endlich verlor er das Bewusstsein.
Irgendetwas stimmte nicht mit Priscillas Handy. Sie konnte wählen, aber niemand, den sie mithilfe einer Kurzwahlnummer anrief, ging ans Telefon, und sie wurde auch nicht zur Mailbox weitergeleitet. Es war weit nach Mitternacht, und sie hatte ein Problem. Eigentlich konnte man rund um die Uhr Nachrichten auf der Mailbox hinterlassen.
Die Vorhänge ihres Schlafzimmers waren geschlossen. Das Bedürfnis, sich den Paparazzi zu zeigen, war längst verflogen. Selbst ihr Zorn hatte sich gelegt. Meistens war sie völlig verwirrt. Sie konnte nicht einmal eine Nachricht hinterlassen, und dabei musste sie ihrem Team von Betreuern doch unbedingt etwas erzählen, jedem Einzelnen von ihnen. Eine große Sache, und folgenschwer. Eigentlich wollte sie es ihnen vertraulich per E-Mail mitteilen, aber morgen hatte sie einen Interviewtermin mit einem lokalen Fernsehsender. Wenn sie damit in die Öffentlichkeit gehen musste, dann würde sie es eben machen.
Sie erhob sich von dem Sessel, von dem sie aus einen Film angesehen hatte, und beschloss, es noch ein letztes Mal zu versuchen. Die Person, mit der sie wirklich sprechen wollte, die Einzige, von der sie glaubte, sie stünde immer noch auf ihrer Seite, war Lane Chandler. Vielleicht konnte Lane ihr Zugang zu den anderen verschaffen. Als eine Art Ersatzmanagerin – und Mutter.
Priscilla drückte auf die Taste, die sie direkt mit Lane verbinden sollte. Sie hatte es bereits mehrere Male versucht und hatte alle möglichen Antworten erhalten, von einer toten Leitung bis zu der Mitteilung, dass alle Leitungen belegt waren und sie es bitte später noch einmal versuchen sollte. Dieses Mal klingelte das Telefon, und sie hörte Lanes Ansagetext. Aber wieder hatte sie keine Möglichkeit, eine Nachricht zu hinterlassen.
Sie starrte das Handy an und wusste nicht, was sie davon halten sollte. Sie konnte es immer noch übers Festnetz versuchen, obwohl es dort keine Kurzwahltaste zu Lane Chandler gab. Aber darum ging es nicht. Lane ging nicht ans Telefon, und sie hatte sogar ihre Mailbox blockiert. War sie für niemanden erreichbar, oder ließ sie nur Priscilla diese grobe Behandlung zukommen?
Es war der letzte Strohhalm. Wirklich der letzte. Miss Pris hatte sich eine Absage nach der anderen eingehandelt. Wenn sie die Kraft dazu gehabt hätte, hätte sie Kleinholz aus dem Handy gemacht oder besser Altmetall. Doch sie konnte nur den Kopf schütteln und versuchen, den quälenden Klumpen in ihrer Kehle herunterzuschlucken. Gleich würde sie anfangen zu weinen, und dabei hasste sie Tränen … Es sei denn, sie konnte sie für ihre Zwecke einsetzen.
* * *
Donnerstag, 10. Oktober
Lane rannte die Stufen vor ihrem Haus hinunter, warf die Aktentasche und Handtasche auf den Rücksitz der wartenden Limousine und stieg ein. Der Pförtner stellte ihren Koffer in den Kofferraum. Lane überprüfte die Uhrzeit, erinnerte den Fahrer daran, dass sie spät dran war, und rief ihm ihren Dank zu, als er die Tür hinter ihr schloss.
Sie hatte verschlafen, und wenn der Fahrer sich nicht unglaublich ins Zeug legte, würde sie ihren Flug verpassen. “Bitte”, sagte sie, als der Mann endlich einstieg, “beeilen Sie sich!”
Er musterte sie im Rückspiegel, die Augen hinter dunklen Brillengläsern verborgen. “Kein Problem, Ma’am. Bitte schnallen Sie sich an.”
Lane reagierte nicht. Sie wollte versuchen, auf dem Weg zum Flughafen etwas zu arbeiten, und dazu brauchte sie Bewegungsfreiheit. Sie öffnete ihre Aktentasche und holte die Zusammenfassungen heraus, die Ashley ihr zugemailt hatte. Lane hatte
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