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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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sagen, ständig außerhalb der Kugel befand?« fragte Oswatitsch.
    Der Physiker lächelte kaum merklich. »Wären Sie aus der Kugel mit geschlossenen Augen in einer Richtung weitergegangen, so hätten Sie die Möglichkeit gehabt, über die Grenze des sphärischen Raumes hinauszugelangen. Sie richteten sich aber nach dem, was Ihnen Ihr Blick sagte, und dieser gehorchte den Regeln der Zerstreuung des Lichtes in Kreisen. Sie gingen so.«

    »Und warum kam ich nicht in diesen Raum hinein«, fragte ich, »obwohl ich die ganze Umgebung genau absuchte?«
    »Weil Sie das Opfer einer ähnlichen Täuschung wurden wie Oswatitsch. Ich bezeichne den Punkt, wo Oswatitsch verschwand, mit einem O, und nun zeigen Sie mir bitte mal, in welcher Richtung Sie Ihren Gefährten suchten.
    »In dieser und dieser«, antwortete ich, und zeichnete zu dem Punkt den der Physiker auf der Skizze gemacht hatte, die entsprechenden Pfeile ein.

    »So schien es Ihnen«, sagte der Professor; »das war aber eine Täuschung. In Wirklichkeit sind Sie so gegangen.«

    »Wieso denn?«
    »Weil auch Sie sich nach den Weisungen des Auges richteten und das Auge ein Diener des Lichtes ist. Die Lichtstrahlen beugen sich an der Grenze des sphärischen Raumes und verlaufen so wie die von mir eingezeichneten Pfeile.«
    Ich hob meinen Blick von dem Papier und sah den Physiker an. »Wußten Sie das alles bereits, als Sie mit uns zusammentrafen, Professor?«
    »Nein. Ich wußte nur, daß die Gravitation wuchs. Erinnern Sie sich daran, daß wir zur Seite geneigt gingen, als wollten wir jeden Augenblick umfallen?«
    »Ach ja! Tatsächlich! Ich fragte Sie sogar ...«
    »Das erklärt sich daraus, daß zu der Einwirkung der normalen, senkrecht nach unten gerichteten Schwerkraft die von der weißen Kugel ausgeübte Anziehung hinzukam; das brachte mich auf diesen Gedanken.«
    »Und das genügte Ihnen?«
    »Schließlich – bin ich doch Physiker«, sagte er.
    »Und auf welche Weise fanden Sie Oswatitsch wieder?«
    »Um in den sphärischen Raum gehen zu können, mußte man sich eines anderen Führers bedienen als des Auges.«
    »Was für eines Führers. Das verstehe ich nicht.«
    »Es ist etwas sehr Großes ... unsere ganze Arbeit war ihm bisher gewidmet, erraten Sie es wirklich nicht? Nun, das Rohr! Ich fand sein Echo mit Hilfe des Induktionsapparates und folgte der Spur, die geradenwegs zur weißen Kugel führte. Der sphärische Raum beugt nur Lichtstrahlen, aber keine Gegenstände.«
    »Wie einfach das alles ist!«
    »Nicht wahr? Der Ingenieur und ich banden uns mit dem Seil aneinander ... Er blieb draußen, ich ging in den Raum und fand Oswatitsch.«
    »Es war ein eigenartiger Anblick ...«, sagte Lao Tsu nach einer Weile. »Das Seil spannte sich von mir aus in gerader Linie und riß plötzlich, mitten im Raum, ab.«
    »Wieso mitten im Raum?«
    »Wo denn sonst nach Ihrer Meinung?«
    »An der Grenze ...«
    »Das Besondere an der Grenze des sphärischen Raumes ist, daß man sie nicht sehen kann. Skizzieren wir also auch noch das, was wir beide, Soltyk und ich, beobachteten, als das Seil an einer bestimmten Stelle die Grenze des sphärischen Raumes durchschnitt. So war es wirklich,

    und so sahen wir es – er von außen und ich von innen.«

    »Erstaunlich!« sagte ich.
    »Nicht erstaunlicher«, versetzte er, »als die Erscheinung, daß ein Löffel, den man in ein Glas mit Wasser stellt, gebrochen erscheint. Es ist alles eine Sache der Gewohnheit.«
    »Warum hatten Sie sich mit Soltyk durch das Seil verbunden?« wollte ich wissen. »Hätte Sie das Rohr nicht ebenso aus den sphärischen Raum hinaus- wie hineingeführt?«
    »Möglich«, sagte der Physiker gleichmütig. »Ich befürchtete aber, dort die Besinnung zu verlieren. Die Temperatur stieg ständig an.«
    »Und wobei zerrissen Sie sich den Skaphander? Und, Professor«, platzte ich heraus, »ich sah, wie Sie und Soltyk in das Wasser gingen! Also, das war ...« Es fehlten mir die Worte.
    »Es war heiß ...«, sagte Lao Tsu. »Nun, wir besprachen jetzt bestimmte Erscheinungen, die wir beobachtet haben. Ich gestatte mir, mich des Beispiels zu bedienen, das Professor Arsenjew angeführt hat. Er verglich uns mit einer Ameise, die unversehens in das Innere einer Schreibmaschine geraten ist. Das, worüber wir eben sprachen, war nur eine allgemeine Erklärung, wie die Maschine funktioniert; aber wir haben noch nicht über weit wesentlichere Dinge gesprochen, nämlich darüber, wer auf dieser Maschine welchen Text schreibt. Es

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