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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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gaben die Motoren einen pfeifenden Ton von sich und setzten für einen Augenblick aus. Es kam noch schlimmer. Ein furchtbarer Krampf schien die Rakete zu packen. Immer wieder schnellte sie nach vorn und wurde zurückgerissen. Ich flog im Korridor hin und her wie eine Erbse in einer Schachtel, die man kräftig schüttelt. Wäre nicht der dicke schwammige Belag gewesen, so hätte ich mir den Schädel eingeschlagen. Auf einmal öffnete sich die Türe der nächsten Kabine, und heraus stolperte Arsenjew.
    »Was ist los?« rief er.
    »Achtung!« schrie ich; aber es war zu spät. Er geriet mir zwischen die Beine, ich fiel über ihn. Wir rollten beide nach vorn. Wut stieg in mir auf. Die Katastrophe war da, es ließ sich nicht mehr ändern. Was aber bedeuteten diese irrsinnigen Zuckungen? Beim nächsten Ruck stieß ich mich mit den Füßen von der Wand ab und flog geradewegs gegen die Tür. Sie sprang auf, und ich stürzte mit aller Wucht in die Zentrale, Arsenjewmir nach. Ich klammerte mich an eine Sessellehne und ließ sie nicht mehr los, obwohl die Rakete in allen Fugen bebte, als bohrte sie sich in ein unsichtbares Hindernis. Ich bemerkte Soltyk. Er kniete an der Wand und versuchte, sich aufzurichten. Sein Gesicht war mit Blut beschmiert.
    »Zum Prädiktor!« rief er. »Zum Prädiktor!« Ich schwang mich zurück und bekam eines der Rohre zu fassen. Mit der anderen Hand zog ich Soltyk heran, der eben in meine Nähe rollte. Wir krallten uns mit aller Kraft an das Rohr. Soltyk machte eine Hand frei und wollte den Hebel herunterdrücken. Ein neuer Stoß schleuderte ihn fort. Ich griff zu und hatte nur noch einen Fetzen seiner Kombination in der Hand. Soltyk taumelte durch die Zentrale. Ich konnte nichts tun, mußte zusehen. Plötzlich richtete sich zwischen ihm und der mit Hebeln und Schaltern gespickten Wand Arsenjews riesige Gestalt auf. Der nächste Stoß, diesmal von vorn, fegte ihn von den Füßen; aber er hatte den Ingenieur bereits gepackt und ließ ihn nicht mehr los. Sie sausten an mir vorbei. Arsenjew und ich umklammerten uns krampfhaft. Einen Augenblick lang hielt ich mich mit der linken Hand am Rohr fest und umschlang mit dem rechten Arm die beiden Gefährten. Mir war, als würde ich in zwei Teile zerrissen, als müßten sämtliche Nerven und Muskeln bersten. Mir wurde schwarz vor Augen. Eine schreckliche, maßlose Wut überkam mich, ich wußte selbst nicht auf was. Ich brüllte wie ein Tier, hielt aber fest und wußte, daß ich bis zum Schluß festhalten würde.
    Eine Sekunde später verstummten die Motoren, uns wurde ungewöhnlich leicht. Soltyk, von Arsenjew und mir gestützt, warf sich auf den Hebel des Prädiktors und zerrte die Bleiplombe der Beschleunigungssicherung mit solcher Gewalt heraus, daß ihm die Fingernägel abbrachen. Dann stieß er einen heiseren Schrei des Triumphes aus. Die Sicherung löste sich aus den Halteklammern und fiel zu Boden. Der Prädiktor schaltete erneut die Motoren ein. Immer mächtiger heulten sie auf. Durch nichts mehr gehemmt, überschritt der Zeiger des Gravimeters den roten Strich. Schon stand er bei zwölf G, und wir kauerten am Rohr des Prädiktors, konnten es nicht loslassen, weil uns die immer wirksamer werdende Beschleunigung sofort an die Wand geknallt hätte. Zusammengekrümmt, die Arme ineinander verflochten, die Füße gegenden Boden gestemmt – so kämpften wir mit zitternden Muskeln gegen die furchtbare Kraft, die uns von unserem Rettungsanker loszureißen versuchte. Der Zeiger erreichte dreizehn G, da wurde mir schwarz vor den Augen. Soltyk, der zwischen uns gepreßt dahockte, schien sich etwas leichter zu fühlen. Er kroch noch mehr in sich zusammen, wie ich es manchmal bei Sturzflügen tat, und drückte das Kinn an die Brust. Ich folgte seinem Beispiel, und es wurde mir wieder heller vor den Augen. Ich schielte zum Leuchtschirm hinüber – und sah, was geschehen war.
    In der linken Hälfte des Schirmes flimmerte etwas – ein paar kleine, wie Sterne leuchtende Flecken. Sie wuchsen mit schwindelerregender Schnelligkeit. Dahinter kamen die nächsten. Das waren Meteore! Ein ganzer Schwarm umgab die Rakete. Von oben herab fiel, langsam um seine Achse wirbelnd, ein besonders großer Meteor. Hell strahlte er in dem Glanz auf, den seine kantigen Ränder zurückwarfen. Die Krümmung seiner Bahn und den Ort im Raum, wo der Zusammenstoß erfolgen mußte, fühlte ich geradezu körperlich. Ich wagte es nicht, Arsenjew anzusehen. Ich fürchtete, durch eine jähe

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