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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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in meinem Koffer liegen, gelesen, habe auch das leider sehr dürftige Material, das die Atmosphäre des Planeten betrifft, durchstudiert; denn im Luftraum der Venus muß ich das Flugzeug steuern. Neu war für mich dabei nur die Tatsache, daß man durch die stärkeren Teleskope von Zeit zu Zeit ein »Fenster« in den Wolken beobachten kann. Es war also möglich, manchmal ein Stück wolkenlosen Himmels von der Venus zu sehen. Das beruhigte mich etwas; denn bereits jetzt, zu Beginn der fünften Woche unseres Fluges, fing ich an, mich nach dem blauen Himmel der Erde zu sehnen.
    Nachmittags saß ich mit Oswatitsch in der Zentrale. Ein guter Kerl ist er, aber ein Brummbär wie selten einer. Er sagt nicht einmal ja oder nein, sondern schüttelt nur den Kopf oder nickt. Er gab mir eine Fotografie der Venus mit dem sogenannten »großen Fleck«, ganz am Rande der Scheibe, den wir gestern entdeckt hatten. Es war bei dem Mangel an Ereignissen für mich eine richtige Sensation gewesen; aber sie konnte die Eintönigkeit nur für wenige Stunden unterbrechen.
    Ich betrachtete noch einmal diesen rätselhaften Fleck, der auf dem Bild nicht größer war als ein gedruckter Punkt, und trat dann auf den Gang hinaus. Dort begegnete ich Soltyk. Ich wollte ihn nach unserer Einteilung in Erdentage und -nächte fragen, die wir bis jetzt beibehalten hatten, und ob nicht für uns nach der Landung die Venuszeit maßgebend sei. Ich vergaß es aber, als er mir mitteilte, daß ab morgen dieFluggeschwindigkeit der Rakete bedeutend erhöht werden würde.
    Auf der Strecke von einer halben Million Kilometer, die uns noch von unserem Ziel trennt, soll ein Probeflug mit Höchstgeschwindigkeit stattfinden, was uns fast vier Reisetage erspart. Ich freue mich sehr darüber. Die beiden Navigatoren haben zwar nach dem Abendessen allerlei schwerwiegende technische Gründe angeführt, die sie zu diesem Vorhaben veranlassen; aber ich kann den Gedanken nicht loswerden, daß sie, genau wie wir alle, nichts sehnlicher wünschen, als die schon unerträglich gewordene Zeit der Erwartung abzukürzen.
    Einunddreißigster Tag. Vom frühen Morgen an waren wir mit fieberhaften Vorbereitungen beschäftigt. Die Befestigung aller Gegenstände in den Kabinen und der Vorräte in den Laderäumen mußte geprüft, der Zustand der Geräte kontrolliert und das Raupenfahrgestell, das sich hinter großen Luken im Unterdeck verbarg, nachgesehen werden. Die Arbeiten gingen nach einem schon längst vorbereiteten Plan vor sich. Ich vergrub mich in der Kammer am Bug des »Kosmokrators« bei meinem Flugzeug und vergaß dabei sogar, um elf zu den Radionachrichten zu kommen. Als ich endlich in die Zentrale trat, lagen die anderen bereits in den Sesseln. Ich legte mich ebenfalls hin und schnallte mich fest.
    Soltyk wartete noch einige Minuten. Dann aber, Punkt zwölf, schaltete er die Vorrichtung ein, die die Kadmiumblenden aus der Atomsäule herauszog. Das Motorengeräusch, das bis jetzt kaum vernehmbar gewesen war, wurde stärker. Ich hatte den großen Leuchtschirm des Fernsehgerätes mit der weißen Scheibe der Venus vor meinen Augen. Darüber leuchteten die Skalen einer Reihe von Meßinstrumenten. Der Zeiger des Geschwindigkeitsmessers rückte nach rechts. Mit jeder Sekunde erklang das Lied der Motoren mächtiger. Trotz ihres immer höher werdenden Singens war nicht das geringste Vibrieren spürbar. Die Konstruktionsteile und die Hülle der Rakete verharrten in absoluter Trägheit. Nur die Zeiger der Meßinstrumente krochen, alle in der gleichen Richtung, langsam über die grünen Ziffern, und der hohe Ton der Motoren schwoll weiter an, bis er schließlich den ganzen Raum derZentrale und uns Menschen durchflutete, durchtränkte, als ob er aus jedem Metallteilchen dränge.
    Achtzehn Minuten nach zwölf hatten wir bereits eine Geschwindigkeit von rund hundert Kilometern pro Sekunde, daß heißt von dreihundertsechzigtausend Kilometern pro Stunde erreicht. Die Sterne blieben noch immer unbeweglich; aber die Scheibe der Venus, auf die der Bug der Rakete zuhielt, wuchs. Zuerst war sie ein silberglänzender, opalisierender Diskus in der Größe des Mondes. Nach einer Weile sah ich bereits ihre Wölbung. Wie eine weiße Kugel, die aufgeblasen wird, nahm sie einen immer größeren Raum ein. Nur ein schmaler, dunkler Rand trennte sie vom Rahmen des Leuchtschirmes – noch eine Minute – und sie füllte ihn aus. Gleichmäßig rückten die Zeiger des Radarentfernungsmessers vor. Während andere

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