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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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unserem Abflug ausgearbeitet hatten. Oswatitsch sollte, falls er uns nicht auffinden konnte, an einem Fallschirm befestigte Behälter mit Lebensmitten und Sauerstoff abwerfen, die mit besonderen Radiogeräten ausgestattet waren und automatische Signale sendeten, um uns das Auffinden zu erleichtern.
    »Die Schlucht könnten wir in einigen Stunden bewältigen«, fuhr Arsenjew fort, »aber die Wände des Kraters sind nicht gangbar. Was wir auch für eine Marschroute wählen, es ist ausgeschlossen, die Rakete vor Anbruch der Nacht, das heißt in sechsundzwanzig bis achtundzwanzig Stunden, zu erreichen. Erinnern Sie sich an die Schluchten und Klüfte, über die wir geflogen sind? Ich habe sie auf der Karte nur skizzenhaft eingezeichnet, weil ich ja mit den Aufnahmen gerechnet habe, die nun für uns verloren sind. Also, was schlagen Sie vor?«
    Tiefes Schweigen herrschte, nur der Wind pfiff um die Ecken und Kanten der Felstrümmer. Die Karte, deren Rand Arsenjew festhielt, flatterte unruhig.
    »Wenn wir vier bis fünf Kilometer in der Stunde zurücklegen könnten und überhaupt keine Rast hielten, wären wir theoretisch in der Lage, den ›Kosmokrator‹ in einem Tag zu erreichen.«, sagte schließlich Soltyk. »Freilich, so eine Berechnung hat keinen praktischen Wert; wir wissen ja nicht, wie lange unsSchluchten und ähnliche Hindernisse aufhalten ... und vor allem, ob sie sich überqueren oder umgehen lassen. Deshalb schlage ich vor, nicht nach Südwesten, in der Richtung der Rakete, zu marschieren, sondern nach Osten, im rechten Winkel zu dem Weg, den wir geflogen sind ...«
    Ich blickte den Ingenieur erstaunt an.
    Er fuhr ruhig fort: »Die Reichweite unseres Radiogerätes ist zwar groß, aber nur in gerader Linie. Wir können also nur dann die Verbindung mit den Gefährten aufnehmen, wenn wir uns in so beträchtlicher Höhe befinden, daß zwischen uns und der Rakete keine Geländehindernisse mehr vorhanden sind. Es würde also keinesfalls genügen, die Hochebene von der Seite aus, von der wir gekommen sind, zu besteigen; denn dann liegt zwischen uns und der Rakete wieder der Tote Wald mit seiner ionisierten Zone, die die Wellen wie ein Spiegel reflektiert. Wenn wir aber so gehen«, er zeigte auf das Gebiet hinter dem Ostrand des Talkessels, »und einen dieser Gipfel ersteigen – dann gelingt es uns vielleicht, die Verbindung herzustellen ...«
    »Vielleicht«, sagte Rainer gedehnt. »Aber ich sehe auch keinen anderen Ausweg.«
    »Unbedingte Sicherheit und Gewißheit werden wir natürlich nicht haben«, meinte Soltyk.
    »Nein. Es ist schwer, die Entfernung genau zu schätzen. Von diesem Felsmassiv trennen uns ungefähr fünf bis sechs Kilometer, nicht mehr. Rechnen wir noch acht, meinetwegen neun, ja sogar zehn Stunden für den Aufstieg hinzu, dann befinden wir uns aber auf einem Punkt, der die ganze Umgegend beherrscht.«
    »Der See, auf dem die Rakete liegt, ist von hohen Felsen eingeschlossen«, bemerkte ich. »Haben Sie das in Betracht gezogen?«
    »Ja. Der Engpaß zum See verläuft nordnordöstlich, das heißt in Richtung auf unsere Berggruppe.«
    »Ich bin einverstanden«, erklärte ich. »Wenn es uns gelingen sollte, die Verbindung herzustellen, holt uns die Rakete ... und wir brauchen nicht im Freien zu übernachten.«
    »Die Idee ist gut«, sagte Arsenjew, »wenn sie auch nicht leicht auszuführen ist. Dann nehmen wir also den Vorschlag an?«
    Wir bestätigten es durch Kopfnicken.
    »Nun, da wir nicht mehr über die technischen Hilfsmittel verfügen, mit denen uns die Erde versehen hat, wird es sich erst zeigen, was wir wert sind.« Arsenjew stand auf und wandte sich an mich. »Sie sind der erfahrenste Bergsteiger unter uns. Wir verlassen uns auf Sie.«
    »Brechen wir gleich auf?« fragte ich.
    »Ich dachte daran, erst noch das Wasser im See zu untersuchen. Vielleicht ist es trinkbar.«
    »Gut, dann schaue ich mich inzwischen nach dem geeignetsten Weg um. Wollen Sie mir Ihren Feldstecher leihen?« bat ich Arsenjew, denn sein Glas war stärker als meines.
    Die Gefährten stiegen zum See hinunter, und ich wandte mich einer Gruppe schlanker Felstürme zu, von denen ich mir bereits während der Beratung zwei ausgesucht hatte. Sie standen so dicht beieinander, daß sie wie ein längsgespalteter riesiger Obelisk aussahen. Ich zwängte mich in den Spalt und stemmte mich abwechselnd mit den Beinen und dem Rücken hoch, wobei ich mich mit den Händen abstieß. Eine Zeitlang vernahm ich noch Bruchstücke des Gespräches

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