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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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über die Knie durch den milchigen Dunst, zeitweise verschwanden wir ganz darin. Jeder Schritt war gefährlich. Nur sehr langsam schoben wir uns vorwärts.
    Stunden vergingen, bevor unter den Schuhen der Kies einerGesteinshalde knirschte. Wir gelangten nun zur Mündung einer breiten Rinne, die sich tief in den Hang des Berges eingeschnitten hatte. Das Herankommen war nicht schwierig, aber außerordentlich ermüdend. Der Skaphander drückte immer mehr. Ich hätte am liebsten den Helm vom Kopf gerissen, um nur einmal frei atmen zu können. Unwillkürlich blickte ich mich um. Die Gefährten, die weniger im Bergsteigen geübt waren, hatten es noch viel schwerer als ich. Tief gebeugt stapften sie durch den Nebel, der in kleinen Wolken den Hang heraufkroch. Der Gipfel war schon längst nicht mehr zu sehen.
    Als wäre die Schar eines riesigen Pfluges über diesen Hang hinweggegangen, lagen zu beiden Seiten der Rinne geborstene Steinplatten. Der Boden der Rinne war von weißlichem, brüchigem Schotter bedeckt. Hoch über den Rändern von Einstürzen reckten sich gelbe, graue, braune Felstürme. Unter ihren drohend überhängenden Rippen breiteten sich kegelförmige Schutthügel aus. Um acht Uhr früh, siebzehn Stunden nach der Explosion des Hubschraubers, erklommen wir den Gipfel.
    Die Bergkette flachte sich im Osten zu toten, starren Wellen ab. Unter uns ein unendliches Nebelmeer, von dünnen Schattenlinien gestreift, die in der Ferne dunkelgrau und lila schillerten. Bis zum äußersten Rand des Horizontes nichts als Nebelfetzen. Darin versank der Abfall unseres Gipfels als ein mächtiger, hochgewölbter, sich weithin verzweigender Gebirgswall.
    Arsenjew breitete die Karte auf einem flachen Stein aus und bestimmte so genau, wie es unter diesen Umständen möglich war, die Richtung, in der sich der »Kosmokrator« befand. Dann stellten wir uns, einige Dutzend Meter voneinander entfernt, auf dem höchsten Punkt des Gipfels auf und versuchten, mit Hilfe der Funkgeräte unsere Gefährten zu erreichen. Immer wieder kamen die gleichen Signale aus dem Raum. Es war der automatische Sender der Rakete, der sich alle fünfzehn Sekunden mit zwei durch eine kurze Pause getrennten Tönen meldete. Wir hörten die Rakete; aber sie antworteten nicht auf unsere Rufe. Vielleicht war die Entfernung zu groß, oder unsere schwachen Wellen wurden durch radioaktive Wolken aus dem Toten Wald gelöscht. Jedenfalls sammeltenwir uns nach einer Stunde in düsterem Schweigen um Arsenjew.
    Der Astronom beugte sich über die Karte. »Wir werden also doch im Freien übernachten«, sagte er. »Heute beginnt die Abenddämmerung, und zwar in ungefähr acht bis neun Stunden. Bis dahin müssen wir einen entsprechenden Unterschlupf gefunden haben. Es sind heftige Gewitter zu erwarten.« Er blickte über den Nebel, der Hunderte von Metern unter uns schwamm. »Den Weg können wir uns nicht aussuchen; so führt er weiter ...« Er bezeichnete auf der Karte eine schnurgerade Linie in Richtung der Rakete.
    »Wir müssen trotzdem noch eine halbe Stunde warten«, gab ich zu bedenken. »Der Abstieg ist, wie bekannt ...«
    »Der Abstieg wird leichter sein als das Klettern« unterbrach mich Arsenjew. Als ich ihn erstaunt ansah, legte er mir mit einer vielsagenden Geste die Hand auf die Schulter. Bald darauf entfernte sich Rainer.
    Der Professor hielt seinen Helm gegen meinen, so daß man die Stimme auch ohne Radio verstehen konnte. Er schaltete den Apparat aus und sagte. »Es ist nicht nötig, alles zu erzählen.«
    »Wegen Rainer?«
    Er nickte. Da der Chemiker wiederkam, sprachen wir nicht weiter. Wir lehnten uns mit dem Rücken an den Felsen und starrten, die Augen vor Müdigkeit nur noch halb geöffnet, in den nebligen Abgrund. Seit einer Weile ging in den Höhen etwas Eigenartiges vor. Die Wolken wurden dick wie Fischleim, den man in kochendes Wasser schüttet, flossen in Ringen auseinander, drehten und wanden sich, wurden immer leichter, zarter, durchsichtiger, bis sich plötzlich ein »Fenster« in ihnen zeigte. Rasch verschwand es wieder, aber daneben erschien ein anderes. Der Himmel schimmerte hindurch. Immer weiter trieb der Wind die bauschigen Wolkenknäuel auseinander.
    »Verdammt!«
    »Warum fluchen Sie denn?« fragte der Astronom.
    »Der Himmel, Professor, sehen Sie sich doch den Himmel an!« Der Himmel war grün, durchsichtig wie ein Smaragd, als ob die Farbe der ersten, jungen, von der Sonne durchschienenen Gräser in ihm eingeschmolzen wäre. Hoch droben

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