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Die Astronauten

Die Astronauten

Titel: Die Astronauten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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schwammen federleichte goldene Wölkchen.
    »Sicher Kohlenoxyd«, meinte Rainer. Ich freue mich, daß er diese Bemerkung machte. So war er also doch noch nicht völlig apathisch.
    Unterdessen glänzte, von den Lichtstrahlen berührt, da und dort der Nebel auf, und die Ränder einer großen Wolke schienen in Brand zu geraten. Dahinter aber, tief im Westen bereits, lugte eine riesige Feuerscheibe hervor. Wenige Augenblicke später wurde es unerträglich heiß. Die Nebel waren auf einmal wie von flüssigem Metall überflutet. Gleich hinter den letzten Schatten, die mit unvorstellbarer Geschwindigkeit bis in die fernsten Fernen einteilten, flammten wahre Orgien des Lichtes auf. Aus den Tiefen wuchsen Berge glühenden Kupfers empor, blutrote Abgründe, Grotten und Höhlen mit zerfließenden Wänden taten sich auf, die Sonnen durchstrahlte sie mit ihrem Glanz und brach goldene Galerien aus dem unruhigen Magma. Dieser ganze Ozean stillen, schweigenden Feuers atmete. Veilchenblaue und rosenrote Dünste, in denen vielfältige Regenbogen flimmerten, stiegen von ihm auf. Das alles dauerte so lange, bis sich eine dichte Wolke vor die Sonne schob. Die leuchtenden Nebeltäler erloschen und füllten sich mit einem unbestimmten Grau.
    »Für dieses Schauspiel müssen wir teuer bezahlen«, sagte Rainer verdrossen. Er befestigte den Karabiner an dem Ring seines Gürtels und schritt auf den Abhang zu. Als erster ging Arsenjew, hinter ihm ich, dann folgte Soltyk und als letzter Rainer, der kaum noch die Füße heben konnte. So begann der Abstieg, die nächste Etappe auf dem Weg zur Rakete.
    Der Nebel war manchmal so dicht, daß sogar die Silhouette des vor mir gehenden Astronomen darin verschwand. Der Blick fand keinen Halt, versank in dem uferlosen Grau. Die Umrisse des Weges, der nächsten Felsen, ja selbst die der ausgestreckten Hand verwischten sich. Mir war, als müßte ich selbst in diesem Nebel zerfließen. Mein Zustand glich einem gespenstischem Traum, in dem man plötzlich die Wirklichkeit des eigenen Seins nicht mehr empfindet. Ab und zu rief ich die Gefährten an, und ihre Stimmen verscheuchten für eine Weile das Gefühl der Einsamkeit.
    Unter unseren Sohlen klang eine Zeitlang hell der Fels, dann knirschte das Gestein einer Geröllhalde. Nach drei Stunden beschwerlichen Marsches wurden die Schritte leiser, und dieSchuhe versanken in lockerem Boden. Wir sahen nicht, ob wir uns bereits auf der Ebene befanden oder ob es nur ein mäßig gewölbter Buckel war; denn auf die Angaben der Aneroide war kein Verlaß mehr: sie verhielten sich seit geraumer Zeit anormal. Der Luftdruck fiel rascher, als man nach dem Marschtempo hätte erwarten können. Allem Anschein nach näherte sich das Tief, das mit der anbrechenden Nacht in Zusammenhang stehen mußte.
    Bald darauf fiel das ebene Gelände wieder ab. Wir kamen immer tiefer. Soweit man es in diesem dichten Nebel erkennen konnte, gingen wir nun durch einen flachen Hohlweg, eine Art ausgetrocknetes Flußbett, und folgten im Hinabsteigen allen seinen Windungen. Plötzlich hatten wir wieder festen Boden unter den Füßen. Er war glatt und eben wie der Bürgersteig einer Stadt.
    Erstaunt blickte ich um mich; aber es war nichts zu sehen.
    Soltyk, der jetzt die Führung nach dem Kompaß übernommen hatte, blieb stehen. »Dort ist etwas«, er wies auf einen großen Fleck, der sich dunkel von der grauen Nebelwand abhob.
    Ich bückte mich und strich über den Felsen. »Hört mal«, sagte ich, »kann sein, daß ich mich irre, aber das sind quadratische Platten. Ich fühle ihr Gefüge unter den Fingern ... Das ist der echteste Bürgersteig, den man sich denken kann!«
    »Ein Bürgersteig? Dann ist vielleicht auch eine Gaststätte in der Nähe?« erkundigte sich Rainer. Während des ganzen Weges hatten wir Kostproben seines Galgenhumors zu hören bekommen. Arsenjew richtete den Induktionsapparat gegen den verschwommenen ovalen Fleck, der in nicht allzu großer Entfernung vor uns aufgetaucht war.
    »Wir haben zwar wenig Zeit«, sagte der Astronom, »aber ... wer von euch kommt mit mir?«
    Soltyk und ich meldeten uns, auch der Chemiker schloß sich nach einem Augenblick des Zauderns an. Die glatte Fläche, die ich als Bürgersteig bezeichnet hatte, machte eine Biegung und stieg dann, nicht sehr steil, an. Einige Dutzend Schritte brachten uns vor eine schwarze Öffnung. Der Nebel war hier dünner. Die Strahlen unseres Reflektors kreuzten sich darin wie helle Säulen und zeigten uns eine geräumige

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