Die Attentaeter von Luna City
herausfinden.«
»Loolon macht nur für sich selbst hush, hush«, versprach der Zwerg, den ihr einst ihr Vater Golo geschenkt hatte.
»Danke!«
Pri schloss die Tasche. Tatsächlich hörte das Summen auf.
Nicht ganz eine Minute später saß sie in Tercels Empfangsraum in einem weichen Sessel und starrte auf den Zimmerspringbrunnen, in dessen Antigravfeld kleine braune Seepferdchen miteinander spielten.
Pri hatte Doktor Anniwas Tercel zufällig kennengelernt, als es ein Jahr zuvor in einer der sublunaren Anlagen eine grauenhafte Mordserie gegeben hatte. Da sich unter den Opfern mehrere Frauen und Männer des onryonisch-lunaren Polizeidienstes befanden, hatte Pri die Sache persönlich an sich gerissen. Sie hatte herausfinden wollen, ob ein frustriertes Mitglied des Widerstandes für die Gräueltaten verantwortlich war.
Doktor Tercel hatte als Psychologe die Familien der Opfer betreut. Sipiera hatte ihn als hochintelligenten Menschen wahrgenommen, der die Fähigkeit hatte, sich mit wenigen Fragen den zentralen Punkten zu nähern.
Pri Sipiera hatte dank einer gefälschten Presseakkreditierung nach und nach die genauen Tatzeiten der Morde erfahren. Daraufhin hatte sie für jedes Mitglied des Widerstandes Bewegungsprofile erstellt und diese mit den Tatzeiten verglichen. Selbst unter der Annahme, dass es mehrere Täter geben könnte, kam sie schließlich zum Schluss, dass niemand aus den Kreisen des Widerstandes für die Mordserie infrage kam.
Mehrere Wochen später fanden Angehörige des Ambulanzdienstes bei einem Suizidfall ein Bekennerschreiben. Der Lunarer – ein Techniker aus der ehemaligen LUNA TOWN IV – schrieb darin, dass ihn »Stimmen aus dem Nichts« dazu gebracht hätten, die Morde zu begehen.
Fälle von geistigen Krankheiten traten seit dem Transfer, den Mondbeben und dem wachsenden Einfluss der Onryonen immer häufiger zutage. Nur selten führten sie zu solch erschreckenden Ereignissen wie dieser Mordserie. Dafür nahm die Zahl der Selbstmorde und Arbeitsausfälle wegen Depressionen rasch zu.
Die polizeilichen Ermittler und auch Pri Sipiera legten den Fall zu den Akten.
Nicht zu den Akten legte sie ihre Bekanntschaft mit Anniwas Tercel. Sie benötigte zwar mehrere Monate, bis sie sich endlich dazu durchgerungen hatte, aber eines Tages stand sie in seiner Praxis im 42. Sublevel des Capponi Towers und fragte, ob er ihr mentaler Coach werden wolle.
Doktor Tercel akzeptierte Sipiera und sagte ihr gleich auf den Kopf zu, dass ihre Presseakkreditierung nur eine Tarnung war.
Pri Sipiera entschloss sich daraufhin, ihm zumindest halbwegs reinen Wein einzuschenken. Sie erklärte Tercel, eigenhändig Ermittlungen angestellt zu haben aufgrund der Vermutung, jemand aus ihrem Bekanntenkreis sei womöglich der Täter. Auf die Frage nach ihrem beruflichen Hintergrund antwortete sie ihm, dass sie ein mittelgroßes Unternehmen leite, und bat den Psychologen, diese Antwort so zu akzeptieren.
Anniwas Tercel akzeptierte, und Pri Sipiera hatte endlich eine Person außerhalb des Widerstandes, mit der sie über ihre kleinen und großen Sorgen sprechen konnte. Es war nicht immer einfach, die spezifischen Probleme innerhalb des Widerstandes verklausuliert darzustellen, aber irgendwie schaffte sie es. Doktor Tercel hörte aufmerksam zu, ging auf ihre Problemstellungen ein, ohne sie in eine Ecke zu drängen. Neben dem Summzwerg Loolon wurde er zu ihrer wichtigsten Bezugsperson.
Die Tür öffnete sich.
»Pri«, sagte Doktor Tercel lächelnd. »Bitte, komm herein.«
»Hallo«, gab sie zurück, während sie sich erhob.
Tercel war ein Bild von einem Mann. Wie immer perfekt gekleidet in einen noblen Anzug mit ärmellosem Gilet und Krawatte. Die dunklen Haare trug er zum Seitenscheitel gekämmt. Sein Eau de Toilette duftete männlich herb, ohne offensiv zu wirken.
Pri Sipiera trat in sein geschmackvoll eingerichtetes Arbeitszimmer. An den Wänden hingen Bilder von bekannten Persönlichkeiten der Menschheitsgeschichte. Dazu kamen replizierte Dokumente und Skizzen wie da Vincis Goldener Schnitt oder Geoffry Abel Waringers auf eine Papierserviette gekritzelte Weiterentwicklung des Pneumoliftes. Im Hintergrund spielte der Raumservo klassische terranische Musik.
»Beethoven?«
»Johann Sebastian Bach«, sagte Tercel. »Eine Violinsonate in f-Moll.«
»Es ist schön ... so beruhigend.«
»Bitte, setz dich.«
Pri Sipiera stellte die Tasche neben einen der ausladenden Sessel und ließ sich hineingleiten. Anniwas Tercel nahm
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