Die Attentaeterin
Sie, Sie wissen nicht, wohin Sie Ihren Fuß setzen .«
Die Drohung ist deutlich. Seine Augen bohren sich in meine. »Um Himmels willen, Herr Doktor«, beschwört er mich sichtlich nervös, »tun Sie, was man Ihnen sagt: fahren Sie nach Hause zurück .«
Er lässt mich stehen und zieht ab, gefolgt von seinen beiden Gefährten. Ich warte in Yassers Wohnung auf den Ruf zum Abendgebet, fest entschlossen, den Imam in die Enge zu treiben. Zwischenzeitlich ruft Kim mich an. Ich beruhige sie und verspreche ihr, sie noch vor dem Abend zurückzurufen.
Die Sonne verschwindet auf leisen Sohlen hinter dem Horizont. Der Straßenlärm verebbt nach und nach. Im Innenhof, den die Nachmittagshitze in einen Glutofen verwandelt hat, kommt ein leichter Wind auf. Yasser kehrt wenige Minuten vor dem Gebet heim. Er wirkt nicht begeistert, mich hier anzutreffen, und ist erleichtert, als er hört, dass ich keine zweite Nacht bleibe.
Beim Ruf des Muezzins mache ich mich zum dritten Mal zur Moschee auf. Die Tempelwächter warten diesmal nicht in ihrer Höhle auf mich. Sie fallen bereits einen Häuserblock von Yasser entfernt über mich her. Diesmal sind sie zu fünft. Zwei, die am Ende des Gässchens Wache schieben, während drei andere mich in einen Torbogen drängen.
»Spiel nicht mit dem Feuer, Doktor !« , droht mir ein großer Kerl, der mich gegen eine Mauer drückt.
Ich wehre mich nach Kräften, um freizukommen, doch gegen seine athletischen Muskeln komme ich nicht an. In der wachsenden Finsternis sprühen seine Augen furchterregende Funken.
»Deine Nummer bringt dir hier gar nichts .«
»Meine Frau hat Scheich Marwan in der Großen Moschee getroffen. Deshalb möchte ich den Imam sehen .«
»Da hat man dir Blödsinn erzählt. Dein Typ ist hier nicht gefragt .«
»Wen störe ich denn ?«
Meine Frage belustigt und nervt ihn zugleich. Er beugt sich über meine Schulter und flüstert mir ins Ohr: »Du reitest die ganze Stadt in die Scheiße .«
»Achte auf deine Ausdrucksweise !« , ermahnt ihn der Kleine mit den vorstehenden Wangenknochen und der zerfurchten Stirn, der schon in der Moschee mit mir gesprochen hatte. »Wir sind hier nicht im Schweinestall .«
Der Primitive zügelt seinen Eifer und lässt von mir ab.
Einmal zurechtgewiesen, hält er sich zurück und rührt sich nicht mehr.
Der Kleine erklärt mir in versöhnlichem Ton: »Herr Doktor Amin Jaafari, ich bin sicher, dass Ihnen gar nicht bewusst ist, in was für eine Verlegenheit Ihre Anwesenheit Bethlehem stürzt. Die Menschen hier sind äußerst dünnhäutig geworden, und wenn sie nicht rebellieren, dann nur, weil sie sich nicht provozieren lassen wollen. Die Israelis warten nur auf einen Vorwand, um unsere Selbstbestimmung anzugreifen und uns in die Ghetto-Falle zu locken. Weil wir das wissen, versuchen wir, auf keinen Fall den Fehler zu begehen, auf den sie nur warten. Und Sie spielen ihnen auch noch in die Hände …«
Er blickt mir direkt in die Augen. »Wir haben mit Ihrer Frau nichts zu tun .«
»Aber …«
»Ich bitte Sie, Herr Doktor Jaafari. Verstehen Sie mich doch .«
»Meine Frau hat in dieser Stadt Scheich Marwan getroffen .«
»Das wird in der Tat allgemein erzählt, aber es stimmt nicht. Scheich Marwan war schon seit Ewigkeiten nicht mehr bei uns. Diese Gerüchte sollen ihn davor schützen, in eine Falle zu laufen. Jedes Mal, wenn er irgendwo auftreten möchte, wird das Gerücht in Umlauf gesetzt, dass er in Haifa, Bethlehem, Dschenin, Gaza, Nusseireth, Ramallah ist, überall zur selben Zeit, um seine Spur zu verwischen und seine Bewegungen zu schützen. Der israelische Geheimdienst ist hinter ihm her. Er hat ein ganzes Heer von Agenten aktiviert, die Alarm schlagen sollen, sobald er nur die Nase vor die Tür steckt. Vor zwei Jahren ist er auf wunderbare Weise einer von einem Hubschrauber abgeschossenen Lenkrakete entkommen. Wir haben auf diese Art schon zahlreiche Anführer unseres Kampfes verloren. Erinnern Sie sich nur, wie es Scheich Yassin getroffen hat, als er bereits alt und gebrechlich war und an den Rollstuhl gefesselt. Wir müssen sorgsam über die wenigen Führer wachen, die uns verblieben sind, Herr Doktor Jaafari. Da ist Ihr Verhalten nicht gerade hilfreich …«
Er legt mir eine Hand auf die Schulter und fährt fort:
»Ihre Frau ist eine Märtyrerin. Wir werden ihr auf ewig dankbar sein. Aber das gibt Ihnen nicht das Recht, ihr Opfer zu verunglimpfen oder wen auch immer in Gefahr zu bringen. Wir respektieren Ihren Schmerz,
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