Die Attentaeterin
schleifen mich an den Füßen in die Mitte der Gasse, treten mir immer weiter in Rücken und Beine. Die paar Zuschauer, die in der Gasse auftauchen, verdrücken sich schleunigst und überlassen mich dem Wüten meiner Angreifer. Inmitten des Gebrülls und Schiagens explodiert etwas in meinem Kopf, danach verliere ich die Besinnung …
Als ich wieder zu mir komme, finde ich mich in einer Gruppe kleiner Jungen wieder. Einer will wissen, ob ich tot bin, ein anderer erklärt, dass ich vermutlich besoffen sei – und alle weichen erschreckt zurück, als ich mich plötzlich aufsetze.
Es ist Nacht. Ich taste mich mit zittrigen Knien und brummendem Schädel an den Mauern entlang. Unter tausenderlei Verrenkungen komme ich endlich am Haus meines Schwagers an.
»Mein Gott !« , schreit Kim auf.
Zusammen mit Yasser hilft sie mir, mich auf dem Sofa auszustrecken, und macht sich daran, mein Hemd aufzuknöpfen. Erleichtert stellt sie fest, dass mein Körper nur Abschürfungen und Prellungen aufweist, aber keine Spuren von Stech-oder Schusswunden. Nachdem sie mich provisorisch verarztet hat, greift sie zum Telefon, um die Polizei zu rufen – als Yasser das sieht, trifft ihn fast der Schlag. Ich erkläre Kim, dass das überhaupt nicht in Frage kommt und ich nicht im mindesten die Absicht habe, jetzt zu kneifen, vor allem nicht nach dieser Abreibung, die man mir gerade verpasst hat. Sie protestiert, schimpft, ich sei verrückt, und fleht mich an, unverzüglich mit ihr nach Jerusalem zurückzufahren. Ich weigere mich kategorisch, Bethlehem zu verlassen. Kim begreift, dass ich blind vor Hass bin und nichts und niemand mich von meiner fixen Idee abbringen wird .
Am nächsten Morgen humple ich, am ganzen Körper grün und blau, zur Moschee zurück. Diesmal wirft mich keiner hinaus. Manche Gläubige halten mich für nicht ganz zurechnungsfähig, als sie sehen, dass ich nicht aufstehe zum Gebet.
Am Abend meldet sich jemand bei Yasser und kündigt an, dass in einer halben Stunde jemand vorbeikäme, um mich abzuholen. Kim rät mir ab, sie hält das für eine Falle. Mir ist es egal. Ich bin es leid, dem Teufel ständig nach den Hörnern zu greifen und doch immer nur seinen Pferdefuß abzukriegen. Ich will ihn endlich als Ganzes sehen, selbst wenn ich den Rest meines Lebens darunter leiden müsste.
Zunächst taucht ein Junge bei Yasser auf. Er bittet mich, ihm bis zum Platz zu folgen, wo ihn ein Jugendlicher ablöst, der mich lange durch einen in Dunkelheit getauchten Vorort führt. Ich habe ihn im Verdacht, im Kreis zu laufen, um mir die Orientierung zu nehmen. Schließlich gelangen wir zu einem schäbigen Laden, wo ein Mann neben einem halb heruntergelassenen Eisenrollo wartet. Er schickt den Jugendlichen weg und bittet mich, ihm ins Innere des Gebäudes zu folgen. Am Ende eines mit leeren Kästen und aufgerissenen Kartons vollgestellten Korridors übernimmt mich ein zweiter Mann. Wir überqueren einen kleinen Platz und kommen in einen spärlich beleuchteten Innenhof. In einem kahlen Raum erhalte ich einen Jogginganzug und Turnschuhe, beides neu, und werde gebeten, mich umzuziehen. Der Mann erklärt mir, das seien Vorsichtsmaßnahmen, für den Fall, dass der Shin Beth mir eine Wanze untergejubelt hat, die ihm jederzeit meinen genauen Standort verraten könnte. Er kontrolliert auch gleich, ob ich nicht vielleicht ein Mikrophon oder sonstige technische Spielereien bei mir habe. Eine Stunde später holt mich ein Lieferwagen ab. Man verbindet mir die Augen und hievt mich auf die Ladefläche. Nach einer Unzahl von Kurven und Umwegen höre ich ein Tor quietschen und sich hinter dem Wagen wieder schließen. Ein Hund beginnt zu bellen und wird sofort von einer Männerstimme zur Ordnung gerufen. Arme richten mich auf und entfernen die Binde von meinen Augen. Ich befinde mich in einem großen Hof, an dessen Ende bewaffnete Silhouetten nur auf mich zu warten scheinen. Sekundenlang läuft mir ein unheimlicher Schauer über den Rücken; ich habe plötzlich Angst und das Gefühl, in der Falle zu sitzen.
Der Fahrer des Lieferwagens packt mich am Ellenbogen und schiebt mich zu einem Haus auf der rechten Seite. Weiter begleitet er mich nicht. Ein großer Kerl vom Aussehen eines Türstehers bittet mich in ein mit Wollteppichen ausgelegtes Zimmer, in dem mir ein junger Mann im schwarzen kamis mit Stickereien an Ausschnitt und Ärmeln mit weit geöffneten Armen entgegenkommt.
»Bruder Amin, es ist ein Privileg für mich, dich in meiner bescheidenen
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