Die Attentaeterin
Klause zu empfangen«, ruft er mit leicht libanesischem Akzent.
Sein Gesicht sagt mir nichts. Ich glaube kaum, ihn vorher schon einmal getroffen oder gesehen zu haben. Ein schöner Mann, mit hellen Augen und feinen Zügen, die ein Schnauzer, der zu buschig ist, um echt zu sein, teilweise verdeckt. Er ist höchstens dreißig.
Er kommt auf mich zu, umarmt mich fest und klopft mir auf den Rücken, ganz nach Art der Mudschaheddin.
»Bruder Amin, du mein Freund und mein Schicksal. Du ahnst nicht, wie geehrt ich bin .«
Ich halte es für überflüssig, ihn an die Hiebe zu erinnern, die mir seine Schergen am Abend zuvor verpasst haben.
»Komm«, sagt er und fasst nach meiner Hand, »setz dich zu mir auf die Bank .«
Ich sehe zu dem Koloss hinüber, der vor der Tür Wache schiebt. Mit kaum merklichem Kopfnicken schickt mein Gastgeber ihn weg.
»Es tut mir unendlich leid wegen gestern«, bekennt er, »aber du musst zugeben, du hast es auch ein bisschen herausgefordert .«
»Wenn das der Preis war, den man zahlen muss, um Ihnen zu begegnen, dann finde ich die Rechnung ziemlich gepfeffert .«
Er lacht. »Andere vor dir sind nicht so billig davongekommen«, bekennt er nicht ohne einen Anflug von Überheblichkeit. »Wir machen Zeiten durch, wo nichts dem Zufall überlassen bleiben darf. Die kleinste Nachlässigkeit, und schon kann alles wegbrechen .«
Er rafft sein langes Gewand zusammen und lässt sich im Schneidersitz auf einer Matte nieder.
»Dein Schmerz bewegt mich zutiefst in der Seele, Bruder Amin. Gott sei mein Zeuge, ich leide ebenso wie du .«
»Das bezweifle ich. Diese Dinge kann man nicht gerecht teilen .«
»Auch ich habe Angehörige verloren .«
»Unter denen hatte ich weniger zu leiden als Sie .«
Er kneift die Lippen zusammen: »Ich verstehe …«
»Das hier ist kein Höflichkeitsbesuch«, erkläre ich ihm.
»Ich weiß … Was kann ich für dich tun ?«
»Meine Frau ist tot. Aber bevor sie sich inmitten einer Schar Schüler in die Luft gesprengt hat, ist sie in diese Stadt gekommen, um hier ihren Guru zu treffen. Ich bin sehr zornig, dass sie mir irgendwelche Fundamentalisten vorgezogen hat«, füge ich hinzu, unfähig, die neuerliche Wut zu unterdrücken, die wie eine Flut in mir hochsteigt.
»Und ich bin noch einmal so zornig, wenn ich bedenke, dass ich nicht das Geringste gemerkt habe. Ich gestehe, ich bin sehr viel zorniger darüber, dass ich nichts habe kommen sehen, als über alles andere. Meine Frau Islamistin? Und seit wann, bitte schön? Das will mir noch immer nicht in den Kopf. Sie war doch ein Kind ihrer Zeit. Sie ging gern auf Reisen und gerne schwimmen, trank ihre Limonade auf den Terrassen der Milchbars und war viel zu stolz auf ihr Haar, um es unter einem Schleier zu verstecken … Was habt ihr ihr nur erzählt, um aus ihr ein Monster zu machen, eine Terroristin, eine fundamentalistische Selbstmordkandidatin, sie, die es noch nicht einmal ertrug, einen Welpen wimmern zu hören?«
Er wirkt enttäuscht. Seine Charmeoffensive, an der er bestimmt stundenlang herumgefeilt hat, bevor er mich empfangen hat, war nicht erfolgreich. Mit einer solchen Reaktion hat er nicht gerechnet. Vermutlich hatte er gehofft, mich durch die abenteuerliche Inszenierung unserer etappenweisen Annäherung bis hin zu meiner Quasientführung genügend beeindruckt zu haben, um mich in die schwächere Position zu manövrieren. Ich verstehe ja selber nicht, woher meine unverschämte Angriffslust rührt, die mir die Hände zittern lässt, ohne dass meine Stimme bebt, die mein Herz aufputscht, ohne dass mir die Knie weich werden. In der Spannung zwischen meinem mulmigen Gefühl und der Wut, die die hochtönende Inbrunst und die deplatzierte Maskerade meines Gastgebers in mir aufkommen lassen, entscheide ich mich für die Verwegenheit. Ich muss diesem Möchtegern-Feldherr einfach klar machen, dass ich ihn nicht fürchte, ich muss ihm den Groll und den Abscheu, den solche Eiferer wie er in mir auslösen, ins Gesicht spucken.
Lange verknotet der Kommandeur seine Finger ineinander, nicht wissend, wo er anfangen soll, bis er schließlich seufzend erwidert: »Die Härte deiner Vorwürfe gefällt mir nicht, Bruder Amin. Aber ich halte sie deinem Kummer zugute .«
»Sie können sie halten, wohin Sie wollen .«
Sein Gesicht verfärbt sich dunkelrot. »Ich bitte dich, keine Grobheiten. Das ertrage ich nicht. Vor allem nicht aus dem Mund eines berühmten Chirurgen. Ich habe aus einem simplen Grund eingewilligt, dich zu
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