Die Attentaeterin
Personal-und Arztausweise, stutzt, als er meinen sieht.
»Sie sind Israeli, Herr Jaafari ?«
»Ist das ein Problem für Sie ?«
Er mustert mich irritiert, gibt uns die Papiere zurück und wendet sich an Kim. »Sie sind die Schwester von Benjamin Yehuda, gnädige Frau ?«
»Ja.«
»Ihr Bruder ist ein guter alter Bekannter von mir. Ist er noch immer nicht aus den USA zurück ?«
»Er ist in Tel Aviv. Um ein Friedensforum vorzubereiten .«
»Ach ja. Hatte ich ganz vergessen. Ich habe gehört, er sei vor kurzem operiert worden. Ich hoffe, es geht ihm wieder besser …«
»Mein Bruder hat sein Lebtag noch keinen Fuß in einen OP-Saal gesetzt, Herr Offizier .«
Er nickt, verabschiedet sich von ihr und macht seinen Männern Zeichen, ihm auf die Straße zu folgen. Bevor er die Tür wieder schließt, hören wir den Nachbarn von Nummer 38, wie er erklärt, dass Benjamin noch nie etwas von einer Schwester erzählt hat. Draußen geht wieder geräuschvoll der Wagenschlag, und die Polizei braust mit quietschenden Reifen davon.
»Hier herrscht aber Vertrauen !« , entfährt es mir.
»Das kann man wohl sagen !« Kim kommt zu mir an den Tisch zurück.
Die Nacht über mache ich kein Auge zu. Bald stiere ich Löcher in die Decke, bald zünde ich eine weitere Zigarette an und kaue endlos Kims Worte wieder, ohne ihnen irgendeinen Geschmack abzugewinnen. Kim versteht mich nicht. Und, was viel schlimmer ist, ich bin auch nicht weiter als sie. Doch ich ertrage es nicht länger, dass man mir schulmeisterlich kommt. Ich will nur noch auf dieses Etwas hören, das sich in meinem Kopf festgesetzt hat und mich beinahe wider meinen Willen zu dem einzigen Tunnelausgang hinzieht, der mir noch einen Schimmer Licht verheißt, zur Stunde, da alle anderen Ausgänge sich vor mir verschließen.
Am nächsten Morgen, als Kim noch schläft, schleiche ich mich in aller Herrgottsfrühe aus dem Haus und nehme ein Taxi nach Bethlehem. Die Große Moschee ist wie ausgestorben. Einem Gläubigen, der damit beschäftigt ist, Bücher in ein wackliges Regal zu räumen, bleibt keine Zeit, mich abzufangen. Ich durchquere in Windeseile den Gebetssaal, hebe den Vorhang hinter dem Minbar an und lande in einem schlichten Zimmer, in dem ein junger weißgewandeter Mann mit einer kleinen Mütze auf dem Kopf im Koran liest. Er sitzt im Schneidersitz auf einem Kissen, vor sich einen niedrigen Tisch. Der Gläubige kommt hinter mir hereingeplatzt und packt mich bei der Schulter. Ich stoße ihn zurück und baue mich vor dem Imam auf, der, empört über mein Eindringen, seinen Anhänger bittet, sich ruhig zu verhalten. Letzterer zieht sich grummelnd zurück. Der Imam klappt sein Buch zu und mustert mich. Sein Blick ist dunkel vor Wut.
»Das ist hier doch kein Taubenschlag .«
»Es tut mir leid, aber es war die einzige Möglichkeit, an Sie heranzukommen .«
»Das ist noch lange kein Grund .«
»Ich muss mit Ihnen reden .«
»Worum geht es ?«
»Ich bin Doktor …«
»Ich weiß, wer Sie sind. Ich war es, der darum gebeten hatte, dass man Sie fernhält von der Moschee. Ich wüsste nicht, was Sie in Bethlehem zu finden hoffen, ich denke, Ihre Anwesenheit hier bei uns ist keine gute Idee .«
Er legt den Koran auf einen zierlichen Leseständer und erhebt sich. Er ist klein und asketisch, doch von seiner Person geht eine eiserne Energie und Willenskraft aus.
Seine Augen, schwarz glänzend, dringen tief in mich hinein.
»Sie sind uns hier nicht willkommen, Herr Doktor Jaafari.
Sie haben auch nicht das Recht, diese geweihte Stätte zu betreten, ohne sich vorher die Schuhe auszuziehen und die Füße zu waschen«, fügt er hinzu, während er sich mit dem Finger über die Mundwinkel fährt. »Wenn Sie schon den Kopf verlieren, dann wahren Sie wenigstens den Schein der Korrektheit. Sie befinden sich in einem Gotteshaus. Und wir wissen, dass Sie ein widerspenstiger Gläubiger sind, fast schon ein Renegat, der vom Weg seiner Vorfahren abgewichen ist, nicht nach ihren Prinzipien lebt und sich längst von der gemeinsamen Sache verabschiedet hat, indem er sich für eine andere Nationalität entschied … Oder sollte ich mich täuschen?«
Angesichts meines Schweigens verzieht er verächtlich das Gesicht und verfügt: »Folglich sehe ich nichts, worüber wir reden könnten .«
»Über meine Frau!«
»Sie ist tot«, kontert er barsch.
»Aber ich habe ihren Tod noch nicht verwunden .«
»Das ist Ihr Problem, Herr Doktor .«
Sein harscher Ton, die Art, wie er mich abkanzelt,
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