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Die Attentaeterin

Die Attentaeterin

Titel: Die Attentaeterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Das Glück, das du ihr geboten hast, hatte einen Beigeschmack von Verwesung. Es war ihr zuwider, verstehst du? Sie wollte das nicht. Sie hielt es nicht mehr aus, träge in der Sonne zu liegen, während ihr Volk unter dem Joch des Zionismus verkam. Muss man dir erst ein Bild malen, damit du begreifst, oder bist du so verstockt, dass du dich weigerst, der Realität ins Gesicht zu sehen ?«
    Zornbebend erhebt er sich, schiebt mich mit dem Knie an die Wand zurück und verlässt den Raum, den er von außen doppelt abschließt.
    Einige Stunden später wirft man mich gefesselt und geknebelt und mit verbundenen Augen in einen Kofferraum. Für mich ist es das Ende. Jetzt wird man mich in ein Niemandsland bringen und exekutieren. Doch was mich wütend macht, ist meine eigene Gefügigkeit. Jedes Lamm hätte sich besser verteidigt. Als der Kofferraumdeckel über mir zuschlägt, nimmt er mir das letzte Stück Selbstachtung und entzieht mich zugleich dem Rest der Welt. Der weite Weg, den ich zurückgelegt habe, die ganze sagenhafte Karriere, und alles nur, um im Kofferraum eines Wagens zu enden wie irgendein altes Kleiderbündel! Wie konnte ich so tief fallen? Wie kann ich mich so behandeln lassen, ohne mich zu wehren? Ein Gefühl ohnmächtiger Wut trägt mich weit in die Vergangenheit zurück. Ich erinnere mich, wie Großvater eines Morgens, als er mich auf seinem Karren zu einem Zahnausreißer brachte, in einer Furche ins Schleudern geriet und einen Maultiertreiber umwarf. Dieser begann, kaum hatte er sich hochgerappelt, Großvater die übelsten Schimpfnamen an den Kopf zu werfen, und er fand kein Ende mehr. Ich hatte erwartet, den Patriarchen seinerseits in einen seiner denkwürdigen Wutanfälle ausbrechen zu sehen, einen von der Art, die die widerspenstigsten Stammesmitglieder erzittern lässt, doch wie groß war mein Kummer, als ich feststellen musste, dass mein Zentaur, dieses Wesen, das ich wie einen Gott verehrte, sich damit begnügte, Entschuldigungen zu stammeln und die Keffieh aufzuheben, die der andere ihm aus den Händen gerissen und zu Boden geworfen hatte. Ich war so betrübt, dass ich meine Zahnschmerzen vergaß. Ich war sieben oder acht Jahre alt. Ich wollte nicht glauben, dass Großvater das einfach so hinnahm, dass er sich derart erniedrigen ließ. Empört und ohnmächtig, wie ich war, ließ mich jeder Schrei des Maultiertreibers ein Stück tiefer im Erdboden versinken. Ich konnte nichts tun, als mit anzusehen, wie mein Idol vor meinem bloßen Auge zusammenschrumpfte … Genau derselbe Kummer hat sich meiner bemächtigt in dem Moment, da der Kofferraumdeckel mich auslöschte. Ich schäme mich so sehr, dass ich all diese Schmach einfach hinnehme, ohne mit der Wimper zu zucken, dass das Schicksal, das mich erwartet, mir gleichgültig ist. Ich bin schon jetzt ein Nichts.

15.
    I ch werde in ein dunkles Kellerloch gesperrt, ohne Luke, ohne Beleuchtung.
    »Ist nicht gerade der größte Luxus hier«, bemerkt der Mann in der Fallschirmspringerjacke, »aber der Service lässt nichts zu wünschen übrig. Versuch nicht, den Schlaumeier zu spielen, du hast nicht die geringste Chance, von hier wegzukommen. Wenn es nach mir ginge, wärst du schon am Vermodern. Aber ich bin leider nur ein kleines Rädchen in der Hierarchie, und die teilt nicht immer meine Ansichten .«
    Mein Herz wäre fast stehen geblieben, als er die Tür hinter sich zuknallte.
    Ich kauere mich hin, schlinge die Arme um meine Knie und rühre mich nicht mehr.
    Am nächsten Tag kommen sie mich holen. Schon bin ich wieder in irgendeinem Kofferraum, mit Handschellen, geknebelt und mit einem Sack über dem Kopf. Nach einer langen Fahrt voller Schlaglöcher wirft man mich zu Boden, lässt mich hinknien und zieht mir den Sack vom Kopf. Das Erste, was mir ins Auge springt, ist ein großer Stein mit Blut-und Einschussspuren. Dieser Ort stinkt grässlich nach Tod. Hier müssen schon viele exekutiert worden sein. Einer drückt mir einen Gewehrlauf an die Schläfe. »Ich weiß, dass du keine Ahnung hast, in welcher Richtung die Kaaba liegt, aber es kann nie schaden, ein Gebet aufzusagen .« Der Biss des kalten Metalls durchzuckt mich von oben bis unten. Angst habe ich nicht, dennoch zittere ich derart heftig, dass mir fast die Zähne splittern. Ich schließe die Augen, raffe die letzten Fetzen Würde zusammen, die mir verblieben sind, und warte, dass es zu Ende geht … Das Gezischel eines Funkgeräts rettet mich in letzter Sekunde. Jemand gibt meinen Scharfrichtern

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