Die Aufrichtigen (German Edition)
sich nicht um die Sakramente! Wenn es nach ihr ginge, wäre selbst ein Sakrament wirksam, das der Teufel spendet.«
Dr. Albertz sah betreten zu Boden. Wieso war er überhaupt hergekommen?
»Aber du hast schon Recht«, sagte Pater Donatus, als hätte er die Gedanken seines Gastes erraten, »der theologische Streit ist nicht das Problem, jedenfalls nicht im historischen Sinne. Das historische und das geistliche Problem sind in dieser Sache wie ein Spiegelbild der hiesigen und der himmlischen Welt.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Siehst du, Maximilian, die Donatisten haben die Hand in die Wunde gelegt. Die Wunde, die seit jener Zeit schwärt, als die römische Kirche zur Teilhabe an der Macht all ihre Werte verraten hat.«
»Die Donatisten waren also gegen die Vereinigung von Kirche und Staat und standen damit sowohl dem Kaiser, als auch den Christen im Weg, die sich aus einer derartigen Verbindung Vorteile versprachen.«
»Dass die Christen dem Kaiser nicht opferten«, sagte Pater Donatus, »ist heutzutage hinreichend bekannt. Doch die Urchristen verweigerten auch den Kriegsdienst und gefährdeten damit das römische System. Sie wurden als Staatsfeinde und nicht wegen ihres Glaubens verfolgt. Doch nach seinem Sieg an der Milvischen Brücke sicherte Kaiser Konstantin den Christen im Toleranzedikt von Mailand Religionsfreiheit zu und gab ihnen ihren Besitz zurück. Christen wurden sogar wichtige Ämter übertragen, einer war Konstantins Berater, einer erzog seine Söhne. Die Kirche erhielt großzügige Geschenke und in vielen Gegenden übernahm der Bischof das Amt des Statthalters. Hast du dich nie gefragt, wie es zu diesem Sinneswandel gekommen ist? Hast du dich nie gewundert, weshalb die Christen so plötzlich protegiert worden sind?«
»Es heißt doch, vor der Schlacht an der Milvischen Brücke sei Christus dem Kaiser erschienen. Konstantin schwor, ihn anzubeten, wenn er siegen sollte?«
»Das ist jedenfalls die katholische Legende. Doch lass uns nicht abschweifen. Konstantin wollte Alleinherrscher werden, brauchte eine Legitimation für seine Bruderkriege und bedurfte einer Rechtfertigung für seine Verbrechen. Seine Herrschaft beruhte auf einem radikalen Bruch mit der alten Staatsdoktrin. In den Christen hat er Verbündete gefunden und sie für ihre Mithilfe bei der Schaffung einer auf ihn zugeschnittenen Staatsideologie reich belohnt. Die römische Kirche erkannte ihre Chance. Vielleicht war es der Traum, das römische Weltreich fortzuführen, vielleicht auch nur der Zufall, dass die Christen der römischen Kirche als erste in den Genuss der neuen Privilegien kamen. Wie auch immer, sie hat sich verblüffend schnell in die neue Rolle eingefunden.«
»Die römische Kirche hat also schon damals die Moral der Opportunität geopfert!«
»Im Jahr 314 bei der Synode von Arles, die unter der Führung Kaiser Konstantins abgehalten wurde, war die römische Kirche zu extremen Zugeständnissen bereit. Das Gewaltverbot für Christen wurde aufgehoben und der Kriegsdienst zur Christenpflicht gemacht. Wer sich dem Kriegsdienst entzog, verspielte künftig sein Seelenheil. Deserteure und Verweigerer wurden exkommuniziert. Die Kirche hat die zehn Gebote außer Kraft gesetzt und sich das Vermögen der Exkommunizierten mit kaiserlichem Segen einverleibt. Doch glaube nicht, dass es großen Widerstand gegen den Verrat von Arles gegeben hätte. Nur Donatus der Große lehnte die Anbiederung ab, verfluchte die Verpflichtung zum Kriegsdienst und verlangte das sofortige Ende der teuflischen Allianz zwischen Kirche und Staat. Die Verfolgung der Donatisten war beispiellos. Man bot die ganze Staatsmacht auf, um die Kritiker zu ermorden. Den Aufschrei dieser gerechten Männer ertränkte man im Blut. Donatus der Große starb, als er von den katholischen Häschern verschleppt wurde. Seit der Bluthochzeit zwischen Kaiser Konstantin und der römischen Kirche, gab es kein Zurück mehr. Immer noch schlimmere Verbrechen mussten begangen werden, um die vorangegangenen zu vertuschen.«
»Soweit ich die Kirchengeschichte kenne, wurde dabei ganze Arbeit geleistet«, fügte Dr. Albertz hinzu.
Pater Donatus nickte.
»Donatistische Kirchen wurden geplündert, ihr Besitz den katholischen Geistlichen zugesprochen. Die donatistischen Priester und Bischöfe, die Gläubigen und selbst ihre Frauen und Kinder wurden niedergemacht, wo man sie fand. All dies im Namen Christi!«
»Die Kirche hat damals also systematisch Brudermord betrieben, um sich
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