Die Aufrichtigen (German Edition)
Gottes Willen, verzeih‘ mir!«
Julia schluchzte. Leo schloss die Augen.
»Ich habe deinen Vater nicht getötet, ich habe es nicht getan. Das schwöre ich dir!«
»Du widerlicher Heuchler!«, rief Dr. Albertz dazwischen. »Ist dir denn gar nichts heilig?«
»Wag‘ es nicht!«, drohte Pater Donatus, »wag‘ es nicht oder du wirst es bereuen!«
»Hören Sie auf! Hören Sie endlich auf!«, rief Julia mit schriller Stimme. »Ich halte das nicht mehr aus!«
»Sagen Sie ihr die Wahrheit«, sagte Leo zu Pater Donatus, »sie hat ein Recht darauf, zu erfahren, was geschehen ist.«
Ein Klagelaut entfuhr der Brust des gewaltigen Mannes.
»Ich schwöre bei Gott, ich habe es nicht getan!«
»Der Professor hatte Würgemale am Hals«, warf Sophie ein. »Es gehören ganz schöne Kräfte dazu, einen Mann zu erwürgen.«
»Wir sind wirklich in Streit geraten«, gab der Pater zu, »und ich bin ihm an die Kehle. Das habe ich ihnen doch erklärt. Aber das war schon am Palmsonntag! Ich wollte, dass er das falsche Gutachten zurücknimmt. Ich habe so sehr gehofft, dass er zur Vernunft kommt.«
»Was hatten Sie am Dienstag am Grab meiner Schwester zu schaffen?«, fragte Julia heftig. »Ein Friedhofswärter hat Sie dabei beobachtet, wie Sie die Grabplatte aufbrechen wollten.«
»Ich habe Ernst am Nachmittag gesehen, wie er etwas in dem Grab versteckt hat«, antwortete der Pater. »Ich war überzeugt davon, dass es etwas mit dem falschen Gutachten zu haben musste. Aber ich habe nichts gefunden. Es war nichts als die Urne in dem Schacht.«
»Und was haben Sie am Mittwoch Nacht in seinem Haus gesucht?«, drängte Julia weiter.
»Ich hatte in der Nacht zuvor meinen toten Bruder gefunden und bin Hals über Kopf weggerannt. Das hätte nicht geschehen dürfen. Ich hätte doch nie gedacht, dass Maiorinus ihn einfach umbringt. Erst später, als ich etwas ruhiger geworden war, erinnerte ich mich daran, auf dem Schreibtisch den Becher vom Herrenmahl gesehen zu haben. Mir war sofort klar, dass dieser Becher mich belasten würde.«
»Und da wollten Sie ihn holen und haben bei der Gelegenheit gleich noch ein wenig nach den Unterlagen gesucht?«, fragte Sophie scharf. »Ich glaube Ihnen kein Wort. Ich finde, dass wir jetzt genug geredet haben. Irgendwann werden Sie schon einsehen, dass Ihnen nur noch ein Geständnis helfen kann!«
»Einen Moment, Sophie«, hielt Leo sie auf. »Der Pater hat den Umschlag, den mir der Professor anvertraut hat. Glaubst du nicht, dass wir endlich erfahren sollten, was sich darin befindet?«
Sophie nickte.
»Sie hören, was er sagt. Wo ist der Umschlag?«
»Der Umschlag ist wertlos«, erwiderte Pater Donatus. »Er enthält nicht den geringsten Hinweis auf das gefälschte Gutachten.«
»Was ist dann darin?«, fragte Leo unbeirrt.
»Was glauben Sie, gibt ein alter Mann seinem Anwalt?«, entgegnete Pater Donatus.
»Ja, das möchte ich auch wissen?«, warf Dr. Albertz ein. »Was ist so Wichtiges in dem Umschlag, dass du ihn gestohlen hast? Glaub‘ nur nicht, ich hätte dein Auto nicht erkannt!«
»Stopfen Sie dem Scheißkerl endlich das Maul, oder ich vergesse mich!«
»Sagen Sie schon, was in dem Umschlag war?«
»Sein Testament, was denn sonst!«, entgegnete der Pater.
»Sein Testament?«, fragte Julia.
»Ich hätte mir auch etwas anderes erwartet, glauben Sie mir«, erwiderte Pater Donatus. »Aber so ungewöhnlich ist es nun auch wieder nicht, dass ein alter Mann sein Testament zu seinem Anwalt bringt.«
»Wer weiß, ob der Mönch da die Wahrheit sagt«, beharrte Dr. Albertz.
»Der Umschlag ist hier. In der Ecke da lässt sich eine Bodenplatte herausheben. Dort habe ich ihn versteckt.«
Sophie kniete sich in der Ecke hin und tastete den Fußboden ab.
»Ja, die ist es«, sagte der Pater. »Sie müssen sie rechts hinunterdrücken, dann kommt sie auf der anderen Seite heraus.«
Wenig später hob Sophie eine Blechdose aus der Öffnung. Sie holte einen Umschlag und ein Buch heraus.
»Ist das der Umschlag?«, fragte sie, als sie zu den anderen zurückgekommen war.
Der Pater nickte.
»Er war für Sie bestimmt,« sagte sie zu Dr. Albertz.
»Lösen Sie mir erst mal die Fesseln«, bat er.
Sophie schnitt den Kabelbinder durch, mit dem Dr. Albertz‘ Hände auf den Rücken gebunden waren. Der Chef rieb sich die Handgelenke und nahm dann den Umschlag. Nach kurzem Zögern gab er ihn Julia.
»Ich hätte ihn dir schon am Mittwoch geben sollen. Es war nicht Recht, dich so lange im Ungewissen zu
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