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Die Aufrichtigen (German Edition)

Die Aufrichtigen (German Edition)

Titel: Die Aufrichtigen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonard Bergh
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lassen.«
    Vergeblich versuchte er ein Lächeln.
    Julia las für sich im Stillen die handgeschriebenen Zeilen ihres Vaters. Als sie nach einer Weile aufblickte, standen Tränen in ihren Augen. Wortlos gab sie Leo die Papiere, wobei sie ihn aufforderte, vorzulesen.
Dies ist mein letzter Wille. Meine Tochter, Julia Spohr, meine Erstgeborene soll meine Alleinerbin sein. Sie hat ein schweres Erbe anzutreten. Ich schäme mich dafür. Mit meinem Tod wird sie erfahren, dass sie eine kleine Schwester hätte haben können, eine Schwester, die ich ihr ein Leben lang vorenthielt. Lieber Maximilian, bitte erzähle Du ihr davon, erzähle ihr, wie alles gekommen ist, sag´ meiner Julia, wer Du bist und dass unser Schicksal so ungewöhnlich gar nicht ist. Es ist das Schicksal der Zeit, der wir entstammen. In den anhängenden Dokumenten findet sich eine genaue Aufstellung all meiner Vermögenswerte. Sie findet das Dekret, mit dem mein Unglück begann, und sie findet eine exakte Zusammenstellung meiner aktuellen Arbeiten. Sie ist mein Nachmund, nicht nur jemand, der meine Arbeit fortführt. Sie hat die richtige Wahl getroffen, mit ihrem Mann, mit ihren Kindern. Denn alle Arbeit ist es nicht wert, auf das Menschlichste zu verzichten. Ich bin stolz auf sie, weil sie den Mut dazu hat, auch wenn ich nie vermochte, ihr das zu sagen. Mit dem Guthaben bei der Ligabank kann Julia unabhängig ihre Arbeit fortsetzen, so wie sie es für richtig erachtet. Der Bankdirektor ist informiert. Schicke sie zu ihm. Sie soll frei sein, frei und unabhängig. Das ist das einzig Gute, was ich ihr mit auf den Weg gebe. Du, lieber Max, bist mit meinen Vermögensangelegenheiten bestens vertraut. Hilf ihr dabei, sich zurecht zu finden, wie Du mir stets geholfen hast. Erzähle Julia nicht nur von Mariechen, erzähle ihr auch von Konstantin, von unserem Vater und von uns. Du hattest Recht: Wir hätten nicht schweigen dürfen, wir hätten den Jüngeren sagen müssen, was damals geschah. Nicht nur damals, als wir das Inferno über Europa hereinbrechen ließen und unsere Eltern aus dem Tod Kapital schlugen. Nein, auch all das, was später geschah, wie unsere Welt entstand, wie unser Leben begann, alles, was unsere Geschichte ist. Wir können unser Leben nur begreifen, wenn wir unsere Geschichte kennen. Julia weiß, was ich damit meine: nicht nur die Geschichte unserer Welt, auch und gerade die Geschichte unserer Familie. Die habe ich Julia bislang vorenthalten. Dafür schäme ich mich am Meisten. Führe Julia zum Grab ihrer Schwester, geh Du mit ihr hin, das bist Du mir schuldig. Sie soll in das Grab hineinsehen, ihr kleines Schwesterchen ergründen, denn dort im Grab ihrer Schwester wird sie finden, wonach ihr Herz sich sehnt. Und noch etwas zum Schluss, lieber Max. Du musst nicht denken, ich wüsste nichts davon, dass Du den Vergleich abgeschlossen hast, weil Dir mein Gegner dafür gute Geschäfte versprochen und Dein hohes Honorar bezahlt hat. Protestiere jetzt nicht. Du hast Dir Deine Stellung selbst verdient und hart dafür gearbeitet. Das weiß ich wohl. Die Chance allein ist nicht alles, man muss sie auch ergreifen und die damit verbundene Erwartung erfüllen. Dies gilt besonders, wenn sich eine Chance nur einmal im Leben bietet. Du hast sie genutzt, nichts weiter. Aber Du hast meine Seele, mein Lebensglück und meine Liebe dafür verschachert. Es hat lange gedauert, ehe ich dahinter gekommen bin. Frag´ nicht danach, Max, ich habe Dir nicht verziehen – aber geliebt, geliebt habe ich Dich trotzdem. München, am schiefen Dienstag, fünf Uhr siebenundzwanzig am Morgen. Ernst Adeodatus Spohr.
    Dr. Albertz hielt Leos Blick nicht stand. Eine Weile schwiegen alle.
    »Ich habe meinen Mann gefasst«, sagte Sophie dann, »damit ist die Sache für mich erledigt. Das SEK wird sicher gleich da sein. Irgendwann wird man ihn schon weichkochen.«
    »Sie sagen es!«, rief Dr. Albertz. »Er ist zur Tatzeit im Haus gewesen und er hat ein Motiv. Was braucht man mehr, um einen Mörder hinter Gitter zu bringen.«
    »Aber das ist es doch gerade«, sagte Leo bestimmt. »Wo soll denn das Motiv sein? Der Professor schreibt ein falsches Gutachten, das der katholischen Kirche in die Hände spielt und Pater Donatus sucht Beweise dafür. Aus welchem Grund sollte er ihn getötet haben?«
    »Wo ist das Buch?«, fragte Julia, »Celsus wahres Wort?«
    »Ist es das?«, fragte Sophie und gab es ihr.
    Julia nickte. Sie blätterte darin, drehte es dann um und zeigte es den anderen.
    »Wie ich

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