Die Aufsteigerin
Aufregendes, nur was man über Soho wissen muss. Wo man einkauft … ach, jede Menge Wissenswertes. Aber das ist Zukunftsmusik. Zuerst werde ich mich um Kleider und Unterwäsche für dich kümmern müssen. Du kannst mein Make-up benutzen, bis du eigenes hast. Wir müssen dir ein Image verpassen, was denkst du? Du bist ein wunderhübsches Mädchen und wirst Furore machen, schätz ich. Unterdessen bring ich dir bei, was eine Zofe zu tun hat. Die meisten meiner Kunden sind Stammfreier - hab immer darauf geachtet, mir einen Stamm aufzubauen, und hab das über die Jahre auch geschafft. Und dann wär da natürlich noch mein Freund.«
Er lachte, als er Cathys verblüfftes Gesicht sah.
»Ja, ich hab einen Boyfriend, Süße, und nicht die geringste Ahnung, wie der auf dich reagieren wird! Aber darüber machen wir uns im Moment noch keine Sorgen. Zuerst werd ich mich mal anziehen, und dann nehm ich bei dir Maß, damit wir dir ein paar schöne Sachen kaufen können. Kann doch nicht verantworten, dass meine Zofe aussieht wie ‘ne Vogelscheuche, oder? Was würden bloß die anderen Mädels sagen, hm?«
Cathy konnte nur noch staunen. Desrae klang bei allem, was er sagte, lebensfroh, sorglos und begeistert. Sie konnte nur hoffen, dass diese Unbekümmertheit abfärbte. Wenn sie im Moment etwas brauchte, dann war es ein wenig Erholung, ein Aufatmen. Sie hätte sich am liebsten in dieser schönen Wohnung verkrochen, in Gesellschaft dieses netten Mannes ihre Wunden geleckt und Leib und Seele gepflegt.
Mit Desrae bot sich vielleicht die Chance, ein neues Leben zu beginnen. Sie konnte Eamonn nicht gegenübertreten, nicht bevor sie so weit war. Nicht bevor sie ihm ebenbürtig war. Eamonn
gefiel es nicht, mit den Problemen anderer belastet zu werden. Dazu war er zu sehr in die eigenen verstrickt.
Nein, sie würde diesem seltsamen Mann eine Zofe sein und sich vor der Welt verstecken, bis sie bereit war, im Triumph zurückzukehren. Wie gespannt sie war, Eamonns Gesicht zu sehen, wenn das geschah! Der Gedanke beglückte Cathy, und Desrae, dem das Leuchten in ihren Augen nicht entging, schürzte nachdenklich die Lippen.
Mit dumpfen Schmerzen am ganzen Körper und furchtbarem Brennen tief zwischen den Beinen erwachte Caroline.
Eamonns Arme hielten sie umschlungen, und instinktiv kuschelte sie sich an seinen warmen Körper. Vor Schmerz zusammenzuckend fiel ihr ein, dass sie ein blaues und fast ganz zugeschwollenes Auge hatte. Es fühlte sich an, als sei es zu groß für ihr Gesicht. Versuchsweise öffnete sie es ganz langsam und erkannte Eamonn, der auf sie herabsah. Der Ausdruck seines hübschen Gesichts verriet neben Scham auch eine Art Hochgefühl.
Er küsste sanft ihre Stirn. Es waren kleine Küsse, immer wieder unterbrochen von Liebesbekundungen.
»Es tut mir ja so leid, Caroline. Ich hab keine Ahnung, was in mich gefahren ist. Du weißt, dass ich dich liebe. Ich werde dich immer lieben. Es gibt keine andere für mich.« Er drückte ihren von Schlägen malträtierten Körper an sich und bereitete ihr dadurch nur neue Schmerzen. Doch wie schlimm wären die erst gewesen, wenn sie gewusst hätte, dass er die ganze Zeit, während er sie besänftigt und getröstet hatte, in Gedanken bei einem anderen Mädchen gewesen war. Cathy … seine Cathy … dem Rattennest entkommen und in Sicherheit bei den reichen und spießigen Hendersons.
Eamonn hätte sie am liebsten aufgespürt, um ihnen zu zeigen, was er von ihrem selbstzufriedenen und wohltätigen Leben hielt. Aber andererseits hatte er selbst ja auch die Schulkameraden
mit sauberer Kleidung, gewaschenen Haaren und wohlgenährtem Äußeren beneidet, und er wusste, dass Cathy dort besser aufgehoben war, wo sie sich befand. Zumindest im Moment noch.
Aber sobald sie sechzehn war, würde er zur Stelle sein. Dann wäre sie nämlich frei, über ihr Leben zu bestimmen, frei, ihn so zu lieben, wie er sicher war, sie zu lieben. Sie unsterblich zu lieben. Bis dahin würde er sich mit dieser dämlichen Schlampe zufriedengeben müssen, die es anscheinend für ein Zeichen der Zuneigung hielt, wenn er sie verprügelte.
»Ich liebe dich, Eamonn.«
Sie sagte die Wahrheit. Am Abend zuvor hatte sich Caroline in die Gefahr verliebt, und ihr Leben lang würde sie der Gefahr verfallen sein. Als sie in sein hübsches Gesicht unter den dunklen Haaren blickte, als sie seine funkelnden Augen sah und seine vollen sinnlichen Lippen, entbrannte ihre Liebe noch stärker, und sie glaubte fest, dass dieser
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