Die Aufsteigerin
wäre er nicht im Traum darauf gekommen, das zu sagen, was er ausgesprochen hatte.
Dass sein Boss nämlich ein dämlicher alter Mistkerl sei, der verdammt viel mehr auf Eamonn angewiesen sei als dieser auf Dixon. Diese Ansicht, übermütig und prahlerisch in einem Pub voller Menschen verkündet, war umgehend weitergetragen und dabei höchstwahrscheinlich auch noch aufgebauscht worden.
Eamonn wusste, dass er sich im Laufe der vergangenen sieben Monate mit seinem lauten Mundwerk und seiner rücksichtslosen Art eine ganze Menge Feinde gemacht hatte. Er hatte von frühmorgens bis spätabends ohne Unterlass den harten Mann gespielt. Das wusste er sehr wohl und kultivierte dieses Image. Er wollte der am meisten gefürchtete Große im ganzen East End sein und erreichte allmählich dieses Ziel. Andere Banden hatten bereits versucht, ihn abzuwerben. Er genoss allenthalben den Ruf eines ganz schlimmen Fingers, eines Durchgeknallten - eines Mannes, dem die Zukunft gehörte.
Jetzt ging ihm der Arsch auf Grundeis. Beim Anblick der beiden berüchtigten Schläger, die auf seiner Türschwelle standen, machte er sich fast in die Hosen. Danny Dixon war so manches, aber ein Narr war er bestimmt nicht. Nun musste er Eamonn also kräftig die Flügel stutzen. Wenn er es nicht tat, hätte er über Nacht seine Glaubwürdigkeit auf der Straße verloren.
Mit Angst im Bauch sah Eamonn Caroline in die weit aufgerissenen Augen und sagte ernst: »Ich bin bald wieder da.«
Die Schläger lachten freundlich. »Geh ruhig schlafen, Kleines. Wir sorgen dafür, dass er heil zurückkommt.«
Sie schaute zu, wie sie ihn mitnahmen, und vergoss erst dann die ersten hilflosen Tränen. Eamonn war ihr Ein und Alles, und sie brauchte ihn jetzt mehr als je zuvor, denn sie glaubte, schwanger zu sein.
Nichts brauchte sie weniger, als dass er von Dixon ausgeschaltet wurde, wobei »ausgeschaltet« im East End nicht notwendigerweise getötet bedeutete. Dixon hätte ihn auch ohne weiteres zum Krüppel machen können, und es wäre nicht das erste Mal, dass er zu so drakonischen Strafen griff. Wenn jemand ihn um Geld betrog, ließ Dixon dessen Finger mit einer Heckenschere kappen oder in kochendes Wasser tauchen. Ihn verärgerte man besser nicht, und sogar Caroline verstand, dass Eamonns Worte an Meuterei grenzten.
Sie saß am Kaminfeuer und wartete.
Etwas anderes blieb ihr nicht.
Danny Dixon war gereizt.
Er hatte den jungen Docherty sehr gemocht und war auch gern sein Mentor zu gewesen. Obwohl er eigentlich an niemandem Interesse fand, hatte er sich seltsamerweise zu Eamonn spontan hingezogen gefühlt. Nicht einmal seine eigenen Kinder, die er natürlich liebte, hatten wirklich einen Platz in seinem Herzen gefunden. Er hatte angenommen, dass der irische Junge deswegen so intensive Gefühle in ihm hervorrief, weil er sich
selbst in ihm wiedererkannte. In den lebenshungrigen blauen Augen und im arroganten Gang Eamonns hatte er sich gespiegelt gesehen. Er war großspurig, anmaßend und hatte jede Menge Scheiße im Kopf, und das, obwohl er gerade erst siebzehn Lenze zählte. Ja, Eamonn erinnerte ihn so sehr an sich selbst in Jugendjahren, dass diese Sentimentalität sein Urteilsvermögen getrübt hatte.
Schon in der Vergangenheit hatte der Junge bisweilen leichtfertige Sprüche gemacht, aber Dixon hatte es durchgehen lassen. Doch jetzt hatte es Eamonn zu weit getrieben.
Dixon wusste, dass der Junge Harveys Tochter vermöbelt hatte. Es war allgemein bekannt, dass er das Mädchen regelmäßig verprügelte. Das behagte Danny gar nicht. Es mochte ja sein, dass er sich in seinem Leben nicht viel zugutehalten konnte, aber er hatte niemals je im Zorn die Hand gegen ein weibliches Wesen erhoben, nicht einmal gegen seine Frau, die sogar den lieben Herrgott zur Weißglut hätte bringen können, wenn ihr was über die Leben gelaufen war.
Eamonn musste eine Lektion erteilt werden, und zwar sehr bald.
Die Leute redeten über ihn, über das, was er gesagt hatte und wie er es gesagt hatte. Es nervte Dixon, dass einige seiner harten Männer sich wie die Fischweiber benahmen und sich über den Jungen und seinen Lebensstil das Maul zerrissen und Dixon noch andere Kleinigkeiten hinterbrachten, weil sie meinten, er müsse davon wissen. Ihm war schon vor langer Zeit klargeworden, dass Eamonn nicht von allen gemocht wurde. Nun, darauf gab er nichts, denn er wusste nur zu gut, dass er selbst auch keinen Beliebtheitswettbewerb gewonnen hätte. Seine Rolle bestand nicht darin,
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