Die Aufsteigerin
weniger streng behandelt und besser verpflegt. Sie darf ihre eigene Kleidung tragen und rauchen, so viel sie will. Also mach dir keine Sorgen um sie. Sie wird bestens versorgt, das versprech ich dir.«
Cathy stand auf und ging ans Fenster. Ihr Gesicht verriet keine Regung. »Ich hab sie gehasst, als ich klein war«, gestand sie, »aber jetzt empfinde ich nur Mitleid. Ich fand, dass sie mir hätte helfen sollen, und letztlich hat sie es ja auch getan. Dafür muss ich ihr dankbar sein.« Sie drehte sich zu ihrer Freundin um. »Würden Sie ihr vielleicht etwas zukommen lassen - einen Brief? Ich denke, ich könnte ihr unter einem anderen Namen schreiben. Und Sie könnten ihr ausrichten lassen, dass er von mir kommt …«
Ihre Stimme klang hoffnungsvoll, weil sie plötzlich eine Möglichkeit ahnte, der Frau Abbitte zu leisten, die sie im Stich gelassen hatte. Sie konnte ihre Mutter nicht leiden. Madge würde
niemals einsehen, dass die schreckliche Geschichte gar nicht passiert wäre, wenn sie ihre Freier nicht mit nach Hause gebracht hätte. Sie würde niemals zu ihrer Schuld stehen, denn an allem hatten immer die anderen die Schuld. Aber irgendwie wusste Cathy, dass Madge, so schlimm sie war, das Bestmögliche für ihr Kind im Sinn gehabt hatte. Doch eine so wankelmütige, unmoralische und egoistische Frau wie Madge hätte niemals Kinder haben dürfen.
Susan P. merkte, was in der jungen Frau vor sich ging, und sagte besänftigend: »Deiner Mutter geht es gut - mach dir keine Sorgen ihretwegen. Aber wie wäre es, wenn ich dir jetzt ein Taxi bestelle, damit du heimfahren und deinen Frieden mit Desrae schließen kannst?«
»Ich bin wohl ein bisschen hart gewesen«, räumte Cathy ein. Eine Last war von ihr gefallen.
»Du fühlst dich schuldig, Süße - schuldig, weil Madge dir egal ist. Du hast ein neues Leben begonnen, ein gutes Leben. Und es gibt nichts, weswegen du dich schuldig fühlen müsstest, glaub mir. Ich zum Bespiel hab meinen Sohn gefunden, bin zu seinem Haus in Basingstoke gefahren und hab gewartet, bis ich ihn zu Gesicht bekam. Er sieht aus wie mein Vater. Aber dabei habe ich es belassen. Wozu soll es gut sein, wenn ich ihm erzähle, woher er stammt, hm? Er führt sein eigenes Leben, und ich kann nur hoffen, dass er glücklich ist. Was deine Mutter betrifft, will ich dir einen Rat geben. Lass sie jetzt ihr Leben führen, ihre Chance hat sie gehabt. Du hast dein Leben, und nimm dir zu Herzen, was heute hier gesagt wurde. Letztlich ist ein Leben nur das, was man daraus macht, Liebes.«
Gerührt umarmte Cathy die andere Frau. »Danke, Susan. Danke für alles.«
Susan P. schob sie behutsam von sich. »Schon gut. Aber eins noch - behalt die Geschichte von meinem Sohn für dich. Nicht einmal Desrae ahnt davon, nur Gates weiß Bescheid. Richard und ich kennen uns schon seit ewigen Zeiten.«
Cathy nickte feierlich. »Ich würde niemals etwas weitertragen, was Sie mir sagen. Das wissen Sie doch.«
Susan sah die junge Frau nachdenklich an. »Wusstest du eigentlich, dass Richard Gates in dich vernarrt ist, Süße?«
Sie sah Cathys verblüffte Miene und schmunzelte. »Er ist verrückt nach dir. Das ist mir schon häufig aufgefallen. Mach ihn zu deinem Freund. Du könntest nämlich eines Tages feststellen, dass du ihn brauchst. Richard ist in vieler Hinsicht ein Mistkerl, aber er ist ein guter Freund. Das weiß ich aus Erfahrung. Halt ihn dir warm. Das kann überhaupt nichts schaden, denk an meine Worte.«
Cathy schmunzelte jetzt auch.
»Und wenn du den nächsten Club eröffnest, sag mir Bescheid - ich beteilige mich. Das hab ich auch schon Desrae gesagt. Wenn er über Joeys Tod hinwegkommen will, hilft ihm am meisten die Arbeit«, sagte Susan. »Und wie gesagt, halt dir Richard Gates warm. Ein Bulle in der Tasche ist besser als zwei auf dem Revier.«
»Das glaub ich dir aufs Wort.« Sie lachten beide.
Kapitel einunddreißig
Eamonn und Tommy trafen sich in einem kleinen Spielclub nahe der Roman Road. Dort waren sie sicher vor Zaungästen, Spitzeln und der Polizei. In einem kleinen Hinterzimmer saßen die beiden Männer einander misstrauisch gegenüber.
»Was kann ich für dich tun?« In Tommys Stimme schwang keinerlei Furcht vor dem Sendboten der IRA mit, und damit gewann er Eamonns Achtung.
»Es geht doch wohl eher darum, was ich für dich tun kann, oder?«
Eamonn öffnete eine Flasche irischen Paddy-Whiskey und schenkte ihnen großzügig ein. Sie nippten an den Drinks, musterten einander und schienen
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