Die Aufsteigerin
Abends machten sie immer noch verlegen. Sie begrüßte die Besucher mit einem Lächeln.
»Wie geht es Ihrer Tochter?«, fragte Eddie.
Cathy trat zu ihm und streckte die Hand aus. Als er sie schüttelte, gab sie Auskunft. »Gut, danke.«
»Schön. Das hört man gerne. Kinder sind kostbar.«
»Da haben Sie Recht. Darf ich Ihnen noch mal nachschenken?«
»Ein Kaffee wäre mir lieber, aber zuvor sollten Sie hören, was Mister Gates zu sagen hat.«
Richard sprach sehr ruhig, doch was er sagte, ließ sie frösteln.
»Campbell wird keine Aussage machen. Er ist sich sicher, dass die anderen Leute zu große Angst haben, um als Zeugen aufzutreten. Wir haben daher beschlossen, ihn auszuschalten, während er sich in Haft befindet. Das ist schwierig, aber nicht unmöglich. Er wird morgen sterben. Die anderen werden allesamt büßen. Dieser Johnny ist bereit, als Zeuge auszusagen, und wir hoffen, dass Cathy wegen ihres traumatischen Erlebnisses nicht vor Gericht erscheinen muss. Ihre Aussage könnte verlesen werden. Campbells ›Selbstmord‹ wird von der Jury als Schuldeingeständnis gewertet werden. Außerdem können wir die ganze Sache nach unserem Gutdünken aufbauschen, sobald Campbell erstmal aus dem Weg ist. Also, Mr. Durrant, so sieht es aus.«
Der große Schwarze nickte, höchst zufrieden mit den neuen Entwicklungen. »Sie sind ein Polizist nach meinem Geschmack, Mr. Gates. In Fällen wie diesem siegt die Gerechtigkeit nur selten, wie Sie wohl wissen. Ich nehme an, der Oberste Richter kommt auch davon?« Richard ignorierte den Spott in seiner Stimme.
Das Telefon klingelte. Cathy ging in die Küche, um das Gespräch
anzunehmen. Eamonn war dran, und als sie seine Stimme hörte, wurde ihr klar, dass sie während der vergangenen vierundzwanzig Stunden nicht ein einziges Mal an ihn gedacht hatte. Sie antwortete nicht sofort, und Eamonn, der eine schlechte Verbindung vermutete, sagte laut: »Ist alles in Ordnung? Ich hab schon ein paarmal angerufen, aber niemand ist rangegangen.«
Sie sah das Blinken am Anrufbeantworter. Eamonn sagte die Wahrheit. Sie schilderte ihm in kurzen Worten, was geschehen war. Anschließend fragte er: »Geht es ihr gut?«
Cathy nickte und vergaß, dass er sie natürlich nicht sehen konnte.
»Klappt es denn mit unserem Wochenende? Ich hab dich so vermisst, Cathy, du weißt gar nicht, wie sehr du mir fehlst.«
Sie glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. »Hab ich richtig gehört, Eamonn? Meine Tochter, mein einziges Kind, wurde von einem Pädophilen entführt und beinahe vergewaltigt - von einer Horde Männer -, und du meinst ganz im Ernst, dass ich sie hier einfach zurücklasse und am Wochenende nach New York komme? Bist du tatsächlich so dämlich?«
Eamonn verstummte. »Ich ruf dich am Wochenende an, Cathy«, sagte er schließlich. »Du bist ja im Moment nicht du selbst. Du müsstest doch wissen, dass ich nicht so egoistisch …«
Sie unterbrach ihn mit lauter Stimme und vergaß dabei ihre Besucher im Nebenzimmer.
»Erzähl keine Scheiße, Eamonn! Du bist schon immer ein selbstsüchtiger Bastard gewesen und wirst immer einer bleiben. Ich hätte im nächsten Flugzeug nach New York gesessen, wenn du mich gebraucht hättest. Aber das ist nicht dein Stil, oder? Alles muss schön problemlos sein, stimmt’s? Also, du bekommst mich zu Gesicht, wenn es so weit ist - und keinen Augenblick vorher! Meine Tochter, unsere Tochter, braucht mich, und ich werde dafür sorgen, dass sie bekommt, was sie braucht.«
»Ich finde, du wirst ein bisschen ungerecht, Cathy. Ich bin nicht der Feind …«
»Nein, das bist du nicht. Mit meinen Feinden werde ich allein fertig, aber trotzdem vielen Dank für dein Angebot, mir zu helfen - ich weiß es zu schätzen. Auch wenn du es noch gar nicht gemacht hast!«
»Cathy, Liebling, bitte, hör mich an.« Seine Stimme verriet Anteilnahme, aber er ließ auch seinen ganzen Charme spielen. »Wenn du mich brauchst - ich bin da. Ich dachte nur, dass du vielleicht eine kleine Atempause gebraucht hättest. Es tut mir leid, ich wollte dich nicht verärgern. Ich steig ins nächste Flugzeug, ich chartere einen Jet, ich tu alles, um dich glücklich zu machen.«
»Das dürfte nicht nötig sein. Ich muss hier noch einiges regeln, dann melde ich mich.«
Eamonn wusste, dass er damit entlassen war, und das wurmte ihn. Er schluckte seinen Unmut hinunter und sagte einschmeichelnd: »Ich liebe dich, Baby, vergiss das nie.«
»Ich liebe dich auch, Eamonn.« Sie legte auf und merkte in
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