Die Aufsteigerin
Dreck, kann ich dazu nur sagen. Irgendwann wirst du sie wohl mal wiedersehen. Wenn du dich gut aufführst.«
Das war eine Drohung, die Cathy durchaus verstand, obwohl sie völlig durcheinander war. Als Mrs. Barton Papiere und Akten zusammensammelte, machte sie noch einen Versuch: »Darf ich nicht mal auf Wiedersehen sagen?«
Mrs. Barton tat so, als hätte sie dieses empörende Ansinnen gar nicht gehört, aber ihre Körpersprache sagte etwas anderes. Cathy senkte den Kopf und unterdrückte die Tränen. Die nette Polizistin hatte ihr erzählt, dass Madge die Schuld an der tödlichen Messerattacke auf sich genommen hatte und dass Cathy stillschweigen und zu niemandem auch nur ein Wort darüber verlieren sollte. Dann hatte sie Cathy fest in die Arme geschlossen und dabei so schön nach Lavendel und Zahnpasta gerochen. Cathy hätte die Umarmung gern erwidert, hatte sich aber nicht getraut.
Sie wusste jetzt also, dass ihre Mutter die Schuld auf sich genommen hatte, und dieses Wissen war Balsam für ihre Seele. Sie hatte gedacht, dass sie ihrer Mutter nichts bedeutete, aber anscheinend tat sie es doch.
Die Tränen, die Cathy jetzt in die Augen stiegen, wischte sie ganz schnell weg. Eine leise Stimme flüsterte ihr ein, die Wahrheit zu sagen. Aber das durfte sie nicht. Die nette Polizistin hatte gesagt, dass der große Mann mit dem schütteren Haar und der ruhigen Stimme sehr böse mit ihr würde, wenn sie den Mund aufmachte. Dass ihre Mutter es ihr schuldig gewesen sei und dass sie das Richtige getan hatte.
Obwohl sie gewollt hatte, dass sich ihre Mutter so verhielt, spürte Cathy jetzt Angst um sie. Sie liebte ihre Mom sehr und verstand sie.
Als sie Mrs. Barton zu deren kleinem Auto nach draußen folgte, sah sie sich noch ein letztes Mal zum Polizeirevier um. Dann nahm sie alle Kraft zusammen und stieg ins Auto. Wohin man sie auch bringen mochte, Eamonn würde kommen und sie mitnehmen. Dann würde alles wieder in Ordnung sein.
An diesen Gedanken klammerte sie sich, als die Fahrt nach Kent begann, und erschöpft und ängstlich suchte sie irgendwann Zuflucht im Schlaf.
Eamonn Docherty Senior durfte Madge in der Untersuchungshaft einen Besuch abstatten, und sie begrüßte ihn mit einem matten Lächeln.
»So weit musste es kommen, damit du mich besuchst, ohne zu streiten, hm?« Ihre Stimme klang hart, aber sie sah abgehärmt und müde aus.
»Die vom Sozialdienst haben Cathy geholt. Ich hab versucht, dich schon früher zu besuchen, aber das durfte ich nicht.«
Madge schien beschwichtigt. Sie nickte.
»Du hast es also für sie getan. Ein mächtig feiner Zug von dir«, sagte er.
Sie steckte sich eine Zigarette an und schnaubte verächtlich. »Unter Zwang, Eamonn, unter Zwang. Glaub nur nicht, dass ich was Großmütiges hab, das hab ich nämlich nicht. Wenn ich das kleine Gör hier vor mir hätte, würd ich ihr den Hals umdrehen! Sie hat ihn abgestochen, und mit vierzehn hätte sie dafür geradestehen müssen, mein Lieber. Sie wär bald wieder draußen gewesen. So wie’s aussieht, muss ich wohl alles absitzen. Und was diesen Scheißkerl Gates angeht, den werd ich mir schon noch kaufen. Alle beide nehm ich sie mir vor.«
Eamonn Senior schüttelte resigniert den Kopf. »Madge, ich hatte gehofft, du wärst endlich zur Vernunft gekommen. Hättest du diesen Abschaum nicht mit nach Hause gebracht, wär das alles nicht passiert. Allein du hast das alles zu verantworten. Alles. Das Mädchen war deine größte Stütze, aber das hast du ja
gar nicht gemerkt. Du warst hier und da mal lieb zu ihr, wenn es dich überkam. Je älter sie wurde, desto mehr hast du ihr von der Verantwortung aufgebürdet, die dir zukam. Benutzt hast du das Mädchen und ausgenutzt … Eins will ich dir sagen, Lady. Ich bin froh, dass Gates dich zur Räson gebracht hat. Ich bin froh, dass du lange hinter Gittern bleibst, Madge, denn zu was anderem taugst du nicht. Jede anständige Mutter hätte achtgegeben auf das Mädchen, aber du nicht. O nein, du hättest sie am liebsten schon zur Arbeit auf die Straße mitgenommen. Das hatte dein Kerl auch im Sinn, da brauchst du dir nichts vorzumachen. Ich lass dich hier in deinem eigenen Saft schmoren. Und ich kann nur hoffen, dass es dir so schlecht ergeht, wie du’s verdient hast. Ich weiß gar nicht, warum ich hergekommen bin.«
»Warum, Eamonn?« Madge war leise geworden, und ihre Stimme hatte einen flehentlichen Unterton, auf den er trotz seines Grolls einging.
»Ich bin hergekommen, Madge, weil wir
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