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Die Augen der Medusa

Die Augen der Medusa

Titel: Die Augen der Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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zeitliche Nähe, und mehr noch, dass beides in unmittelbarer Nachbarschaft geschehen war. Nicht einmal in der billigsten Fernsehserie wäre durchgegangen, dass Terroristen, die nichts voneinander wussten, zufällig zur gleichen Zeit in einem abgeschiedenen Dorf wie Montesecco losschlugen.
    Überhaupt, warum hier in Montesecco? Weil der Oberstaatsanwalt hierher unterwegs gewesen war. Weil ihn Minhhergelockt hatte. Hätte man Malavoglia auf den dreihundert Kilometern von Rom nach Montesecco nicht irgendwo anders auflauern können? Nein, zumindest nicht, wenn Minh der Täter war. Denn der wohnte hier und besaß noch nicht einmal einen Führerschein. Er würde ja kaum mit einem Granatwerfer über der Schulter erst den Bus nach Fabriano und dann den Zug nach Rom nehmen. Außerdem konnte er sich nach dem Attentat in seinem Büro verkriechen und hoffen, dass er ungeschoren davonkam. Doch das hatte nicht geklappt. Ein paar Polizisten hatten ihn befragt und mussten irgendwie Verdacht geschöpft haben. Da hatte er sie gefangen genommen. Die Geiselnahme war also gar nicht geplant gewesen, sondern aus der Not geboren. Erst später war Minh auf die Idee gekommen, die verfahrene Situation auszunutzen, um die Freilassung der Brigadisten zu fordern. Am Anfang stand der Mord. Das musste Marisa immer im Auge behalten.
    Unzufrieden machte sie, dass ihr Zwischenergebnis stark der Vorstellung ähnelte, der Polizei, Krisenstab und Medien anhingen. Die hatte aber einen entscheidenden Fehler. Sie setzte voraus, dass Minh der Täter war. Wie alle anderen in Montesecco war Marisa von den Ereignissen so überrollt worden, dass sie das anfangs nicht völlig ausgeschlossen hatte, doch dann waren die Zweifel immer stärker geworden. Minh ein Linksradikaler, ein Terrorist, einer, der mit Granatwerfern Menschen ermordete? Die Sache mit der Pizza hatte gezeigt, dass das nicht stimmen konnte, und wenn es eines letzten Beweises bedurfte, war das der Schuss auf Catia. Minh würde nie und nimmer seine Mutter umbringen wollen! War er jedoch unschuldig, machte das ganze Szenario keinen Sinn. Marisa fing noch einmal von vorn zu überlegen an, doch wie sie es auch drehte und wendete, sie kam zu keinem anderen Ergebnis.
    Sie schlug die Decke zurück, die sie sich über die Beine gelegt hatte, und ging in die Küche. Dort setzte sie Wasser für einen Pfefferminztee auf. Sie durchsuchte alleSchränke nach Süßstoff, fand aber nur eine Zuckerdose. Ein oder zwei Löffelchen würden sie schon nicht gleich umbringen! Als sie den Deckel abnahm, stellte sie sich vor, wie die Szene in einer Soap Opera wirken würde. Eine nicht mehr junge, etwas übergewichtige Frau wartete allein in einer fremden Küche, bis ihr Pfefferminztee gezogen hatte, und kippte sich zu viel Zucker in die Tasse. Trostlos! Welches Schicksal konnte ein Drehbuch für so eine Frau vorsehen?
    Und da begriff Marisa, dass sie nur ein ganz klein wenig anders hinsehen musste. Alles schien zu beweisen, dass Minh ein Mörder und Terrorist war. Das sollte es auch! Genau so wollte es das Drehbuch! Deswegen musste Malavoglia in Montesecco ermordet werden. Deswegen musste die Geiselnahme auf dem Fuß folgen, und deswegen musste sich der Täter in Minhs Büro verschanzen. In Wahrheit war es umgekehrt. Jemand hatte all das bewusst so inszeniert, nur um Minh zu belasten. Die Puzzleteilchen bewiesen gar nichts, sie waren bloß zu diesem Zweck in dieser Form zugeschnitten worden.
    Aber wer konnte so etwas tun? Und warum hatte er gerade einen siebzehnjährigen Jungen aus Montesecco ausgewählt, wenn er einen Sündenbock brauchte? Warum nicht jemanden mit linksradikalem Hintergrund, dem man solche Verbrechen viel eher zutrauen würde? Irgendetwas musste Minh haben, was ihn als Opfer geeignet erscheinen ließ. Beziehungsweise als Täter, denn bei dieser Variante lief das auf dasselbe hinaus. War es Minhs tragische Vergangenheit? Hatte man jemanden gesucht, der als psychisch so instabil gelten konnte, dass ihm alles zuzutrauen war? Auch wenn Minh sich in den letzten Jahren gut erholt hatte, schien das möglich. Aber unwahrscheinlich. Die Frage blieb, warum man nach so jemandem gerade in einem Kaff wie Montesecco Ausschau halten sollte.
    Nein, Minh musste selbst auf sich aufmerksam gemacht haben, und das konnte nur auf einem Weg geschehen sein.Er war zur Zielscheibe geworden, weil er sich an jemanden gewandt hatte, der ihn sonst nie beachtet hätte. Im Fernsehen war berichtet worden, dass Minh dem Oberstaatsanwalt

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