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Die Augen der Medusa

Die Augen der Medusa

Titel: Die Augen der Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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angekündigt haben, sind nach der Ermordung Ispettore Russos keinerlei Zugeständnisse mehr möglich. Die verurteilten Gewalttäter der Brigate rosse wurden bereits in ihre jeweiligen Haftanstalten zurücktransportiert oder sind gerade auf dem Weg dorthin. Die Angebote, die wir Ihnen persönlich gemacht haben, können ebenso wenig aufrechterhalten werden. Ihre einzige Option ist die bedingungslose Kapitulation.
    Von: »Minh« [email protected]
    An: »Krisenstab« [email protected]/pesaro
    Strategiewechsel, was? Eure Hinhaltetaktik hat nicht funktioniert, und jetzt versucht ihr mich mit der harten Linie mürbe zu machen? Ich kann euch versichern, dass das genauso wenig klappen wird. Wollt ihr wissen, wie die Sache wirklich steht? Entweder ihr gebt die Genossen frei, oder hier wird einer nach dem anderen exekutiert. So einfach ist das.
    Von: »Krisenstab« [email protected]/pesaro
    An: »Minh« [email protected]
    Sie schätzen die Lage falsch ein. Jetzt ist es an uns, Ultimaten zu stellen. Sie haben genau bis 23 Uhr heute Abend Zeit, die Geiseln freizulassen und sich zu ergeben. Danach werden die Machtmittel des Staates eingesetzt werden. Nach den Meinungsumfragen, die uns zur Verfügung stehen, ist die Öffentlichkeit inzwischen mit großer Mehrheit bereit, das zu akzeptieren, auch wenn es Opfer kosten sollte. Wir haben uns entschieden, hier einen Schlussstrich zu ziehen. Was Sie noch in der Hand haben, ist einzig, ob Sie selbst überleben werden. Wenn Ihnen daran liegt, werfen Sie Ihre Waffen aus dem Fenster und kommen mit erhobenen Armen heraus!
    Von: »Minh« [email protected]
    An: »Krisenstab« [email protected]/pesaro
    Ihr könnt mich alle mal am Arsch lecken!
    Als Costanza Marcantoni die Augen aufschlug, erblickte sie als Erstes ein Holzkreuz. Es hing an einer Wand, die aussah, als hätte man sie mit Erbsensuppe gestrichen. Das Bett, in dem Costanza lag, war ihr genauso unbekannt. Zu Hause war sie jedenfalls nicht. Sie versuchte sich zu erinnern, was geschehen war, kam aber gerade nicht darauf. Mit Mühe richtete sie den Oberkörper auf und hievte dieBeine unter der Decke hervor. Auf der Bettkante blieb sie einen Moment sitzen. Ihr war ein wenig schwindelig.
    Das kurzärmlige weiße Nachthemd, das sie trug, gehörte irgendwem, aber nicht ihr. Costanza stand auf. Der Boden fühlte sich kalt an. Vergeblich sah sie sich nach ihren Wollstrümpfen und Schuhen um. Überhaupt war das Zimmer ziemlich leer. Ein zweites, unbenutztes Bett, zwei Nachtkästchen, zwei Stühle, fertig. Costanza schlurfte barfuß zum Fenster. Draußen war es grau. Weit konnte sie nicht sehen, doch der große Garten, der sich ein paar Stockwerke unter ihr ausbreitete, war ihr völlig unbekannt. Auf den Rasenflächen und Beeten zwischen den Spazierwegen lag kein Schnee wie in Montesecco. War sie weit von zu Hause weg? Und wie kam sie bloß hierher?
    Costanza tappte zur Tür und öffnete sie vorsichtig. Ein langer, leerer Gang. Costanza hielt sich aufs Geratewohl nach links. Auf den Türen, an denen sie vorbeikam, standen Zimmernummern. Ein Hotel vielleicht? Costanza hatte ihr ganzes Leben lang noch nie in einem Hotel übernachtet, da war sie sich sicher. Warum sollte sie gerade jetzt …? Sie hörte eine Stimme. Dort vorn, aus dem einzigen Raum, der mit einem Glasfenster vom Gang abgetrennt war. Costanza schlich näher. Eine Frau und ein Mann, beide in weißen Kitteln, wandten ihr den Rücken zu und schauten in einen Fernseher. Costanza hätte sie fragen können, wo sie sich hier befand, aber irgendetwas hielt sie davon ab. Sie fragte sich, ob sie den beiden trauen konnte. Wenn sie nur wüsste, was eigentlich vorgefallen war!
    Na, sie würde sich schon wieder erinnern. Früher oder später. Erst mal sollte sie schauen, dass sie hier herauskam. Costanza wandte sich in die andere Richtung, hatte aber erst zwei Schritte getan, als sie die Fernsehsprecherin den Namen ihres Heimatortes sagen hörte. Montesecco. Ganz eindeutig. Costanza trippelte zurück, ging durch die offene Glastür und so nahe an den Fernseher heran, dass sie dasBild genau erkennen konnte. Das war doch ein Teil der Piazza! Hinten stand die ehemalige Schule und links, in dem grauen Haus, war Costanzas beste Jugendfreundin aufgewachsen, die Dingsda, na, wie hieß sie gleich? Die dann später den Paolo geheiratet hatte, oder war es Matteo gewesen?
    »Was machen Sie denn hier?«, fragte die Frau im weißen Kittel.
    Costanza deutete

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