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Die Augen der Medusa

Die Augen der Medusa

Titel: Die Augen der Medusa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Jaumann
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paar Sekunden, dann hörte man ihn brummen: »Sag ich doch, wir weichen eindeutig nach oben ab.«
    »Und wenn wir das nicht sofort korrigieren, kommen wir drüben wohl im ersten Stock heraus, was?«, höhnte Ivan.
    »Das vielleicht nicht, aber geschätzte drei Zentimeter Steigung pro Meter, das ist wahrlich kein Ruhmesblatt der Tunnelbaukunst.« Francos Stimme klang dumpf aus dem Loch heraus.
    Ivan verlegte sich aufs Bitten. »Mag ja sein, Franco, aber wir sind doch praktisch durch und …«
    »Hört auf mit dem Quatsch und lasst die Jungs endlich weiterarbeiten!«, bellte Matteo Vannoni dazwischen.
    Die Jungs waren zwei Schwarzafrikaner, die Mamadou noch aus seiner Zeit als Vucumprà kannte. Auch die beiden trotteten längst nicht mehr die Strände ab, um gefälschte Markenuhren und anderen Schund zu verkaufen. Seit Jahren schon arbeiteten sie im Baugewerbe, als immer noch illegale Immigranten natürlich schwarz, sozialversicherungsfrei und im Vergleich mit den regulär Beschäftigten zu Dumpinglöhnen. Musste einer der Unternehmer besonders hart kalkulieren, bekamen sie nicht einmal diese. Sie konnten ihn ja schlecht verklagen, ohne aufzufliegen. Wenn sie ein paar Tage vertröstet worden waren, ohne Geld zu sehen, blieb ihnen nichts anderes übrig, als den Lohn abzuschreiben und sich eine neue Firma zu suchen. Immerhin klappte das während der Saison meist recht schnell.
    Jetzt im Winter sah es aber schlecht aus, und deswegen hatten sie auch in Ancona sofort den Bus bestiegen, als Mamadou sie am Morgen angerufen hatte, um ihnen im Namen der Dorfgemeinschaft von Montesecco je achtzig Euro für die Fertigstellung eines schon begonnenen Tunnels zu bieten. Die Reisespesen würden zusätzlich übernommen, Verpflegung während der Arbeitszeit gestellt werden.
    Franco hatte wegen des übertrieben großzügigen Angebots gemurrt, letztlich aber sein Scherflein beigetragen. Er war wie die anderen die ganze Nacht über wach gewesen. Sie hatten einsehen müssen, dass sie immer längere Pausen brauchten und ohne fremde Hilfe wahrscheinlich gar nicht fertig werden würden. Jetzt, am späten Nachmittag, musste auch Franco zugeben, dass sich die Investition gelohnt hatte. Die beiden Kontraktarbeiter schufteten unermüdlich. Im Abstand von zwanzig Minuten wechselten sie sich an der Spitze des Tunnels ab. An den Einsatz von Hacken oder gar schwererem Gerät war dort nicht zu denken. Unter sehr beengten Verhältnissen musste mit dem Spaten Erde gelöst werden, die dann vom zweiten Mann mühsam nach hinten durchgeschaufelt wurde.Am Eingang des Tunnels füllten die im Einsatz befindlichen Dorfbewohner den Abraum in Eimer und transportierten ihn ab. Die Halde wurde im Raum unter der Treppenschräge aufgeschüttet, dort, wo vorher Angelo Sgreccias Weißweinvorräte gelagert hatten. Die Flaschen hatte man nach oben in Sicherheit gebracht, das hölzerne Weinregal abmontiert und zurechtgesägt. Die Bretter waren zusammen mit anderem Material verbaut worden, um die Wände und vor allem die Decke des Tunnels abzustützen. Man wollte nicht riskieren, verschüttet zu werden, denn die Erde hatte sich tatsächlich als ziemlich weich erwiesen.
    Francos Mäkelei zum Trotz war der Tunnel nicht schlecht angelegt. Zwar konnte man ihn bei einer Höhe von gerade mal achtzig Zentimetern nur auf allen vieren passieren, aber er wirkte zumindest solide. Und das Beste war, dass sie ihn inzwischen auf vier Meter Länge vorangetrieben hatten. Sie mussten jeden Moment auf die Kellermauer des Salviati-Hauses stoßen. Es wurde auch Zeit, denn erstens wuchs die Abraumhalde unter Sgreccias Kellertreppe bedrohlich an, und zweitens stand zu befürchten, dass Matteo Vannoni bald zusammenklappen würde.
    Als Einziger hatte er sich keine Minute Pause gegönnt, war unentwegt auf den Beinen gewesen, hatte unten bei den Grabungsarbeiten mitgeschuftet und, wenn er da nicht helfen konnte, den Beobachtungsposten oben am Fenster besetzt. Vor allem aber hatte er unaufhörlich darauf gedrängt, keine Zeit zu vertrödeln, hatte die anderen angespornt, aufgestachelt, angebrüllt. Schließlich gehe es um das Leben seines Enkels. Jetzt war er sichtlich am Ende. Bleich wie der Tod, zittrig und fahrig in seinen Bewegungen. Aber natürlich würde er keine Ruhe finden, bis sie am Ziel waren. Die einzige Möglichkeit, ihm beizustehen, bestand darin, den Tunnel fertigzustellen und schnellstmöglich über Salviatis Keller ins Untergeschoss von Minhs Büro durchzustoßen.
    Auch Antonietta

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