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Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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geschaffen für die Rolle des Ehebrechers, selbst wenn Ginnie beteuerte, sie habe sich schon lange, bevor sie ihn kennenlernte, von David scheiden lassen wollen. Ihr Pech war nur, daß David in keine Scheidung einwilligte. Penn hatte sich entschlossen abzuhauen, zu verschwinden, bevor David Verdacht schöpfte. Das schien ihm die einzig anständige Lösung zu sein. Nicht, daß er sich für besonders edelmütig gehalten hätte, aber in gewissen Situationen…
    Penn ging hinauf in den ersten Stock und klopfte an Ginnies Tür.
    Ihre hohe, fröhliche Stimme rief: »Bist du's Penn?
    Komm rein!«
    Sie lehnte in schwarzen, enganliegenden Hosen und gelber Bluse auf der sonnenbeschienenen Chaiselongue und nähte an einem von Davids Hemden einen Knopf an.
    »Sehe ich nicht aus wie die perfekte Hausfrau?« fragte sie und strich sich das blonde Haar aus der Stirn. »Was ist, hast du auch ein paar Knöpfe anzunähen, Schatz?«
    Manchmal sagte sie auch in Davids Beisein Schatz zu ihm.
    »Nein«, sagte er lächelnd und setzte sich auf ein Knie-kissen.
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    Sie blickte rasch zur Tür, wie um sich zu vergewissern, daß niemand in der Nähe war, dann spitzte sie die Lippen und warf ihm einen Luftkuß zu. »Du wirst mir fehlen, dieses Wochenende. Wann fahrt ihr morgen los, mein Schatz?«
    »David möchte gleich nach dem Lunch aufbrechen.
    Ginnie, das ist das letzte von Davids Büchern, an dem ich mitarbeite. Ich kündige.«
    »Du willst weg von hier?« Sie ließ ihre Näharbeit in den Schoß sinken. »Weiß David es schon?«
    »Nein, ich sag's ihm morgen. Aber ich verstehe nicht, was dich daran so überrascht. Wo du doch der Grund bist, Ginnie. Mehr brauche ich dazu wohl nicht zu sagen.«
    »Ich verstehe, Penn. Ich habe ihn um die Scheidung gebeten, das weißt du. Und ich werde es weiter tun. Ich laß mir was einfallen, und dann…« Plötzlich kniete sie vor ihm und ließ weinend den Kopf auf die Hände sinken, die die seinen umklammert hielten.
    Langsam, mit abgewandtem Blick, stand er auf und zog sie sachte mit sich empor. »Wahrscheinlich bleibe ich noch etwa zwei Wochen, jedenfalls so lange, bis David mit seinem Buch fertig ist – vorausgesetzt, daß er mich weiter um sich haben will. Aber du kannst unbesorgt sein. Ich werde ihm nicht sagen, warum ich gehe.« Er sprach zuletzt im Flüsterton, obwohl David unten in seinem schalldichten Arbeitszimmer saß und Penn das Hausmädchen im
    Souterrain vermutete.
    »Von mir aus könntest du's ihm ruhig sagen.« Ihre Stimme klang trotzig und gefaßt.
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    »Ein Wunder, daß er nicht längst dahintergekommen ist.«
    »Falls ich die Scheidung kriege, sagen wir in drei Monaten – würdest du auf mich warten?«
    Er nickte. Und dann, als er spürte, wie auch ihm die Augen brannten, lächelte er. »Ich werde furchtbar lange warten. Ich bin mir bloß nicht so sicher, ob du dich wirklich scheiden lassen willst.«
    Finster zog sie die Brauen nach unten, wie ein störrisches Kind. »Wart's nur ab! Ich will David bloß nicht reizen. Ich fürchte mich vor seinem Jähzorn, das hab ich dir doch gesagt. Aber vielleicht muß ich aufhören, mich zu fürchten.« Groß schaute sie ihn mit ihren blauen Augen an.
    »Erinnerst du dich noch an den Traum, den du uns erzählt hast? Von dem Mann, mit dem du auf der Landstraße unterwegs warst, und der auf einmal verschwand? Und du hast nach ihm gerufen und gerufen und konntest ihn einfach nicht finden?«
    »Ja.« Er lächelte immer noch.
    »Ich wünschte, so was würde dir in Wirklichkeit passieren – mit David. Ich wünschte, David würde sich in Luft auflösen, gleich dieses Wochenende, und für immer aus meinem Leben verschwinden, damit ich mit dir Zusam-mensein könnte.«
    Was sie da sagte, wühlte ihn schrecklich auf. Entschlossen ließ er sie los. »Ein Mensch verschwindet nicht einfach so. Es gibt andere Möglichkeiten.« Eine Scheidung zum Beispiel, hatte er hinzufügen wollen, aber er schwieg.
    »Zum Beispiel?«
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    »Ich setze mich jetzt lieber wieder an die Schreibmaschine, Ginnie. Ich hab noch dreißig Minuten Tonband ab-zutippen.«
    Tags darauf stiegen David und Penn nach dem
    Mittagessen mit je einem Handkoffer, Schreibmaschine, Tonbandgerät, einer Kühlbox mit Steaks und Bier nebst sonstiger Verpflegung in das schwarze Kabrio und fuhren los. David war gut aufgelegt und schilderte Penn den Einfall für ein neues Buch, der ihm in der Nacht gekommen sei. David Ostrander war als Science-fiction-Autor so produktiv, daß er unter einem halben Dutzend

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