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Die Augen der Mrs. Blynn

Die Augen der Mrs. Blynn

Titel: Die Augen der Mrs. Blynn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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detonierte im Postamt von Copperville eine Bombe und tötete Mac, Roger und drei Kunden. Bobbie, der etliche Meter hinter seinen Kollegen an dem großen Pult gesessen hatte, trug Verletzungen am rechten Arm und im Gesicht davon. Das Päckchen, das die Bombe enthalten hatte, war bei der Detonation so gründlich zerfetzt worden, daß es der Spurensicherung keinerlei Anhaltspunkte bot, und falls Mac und Roger den Absender gelesen hatten, so konnten sie ihn nicht mehr preisgeben.
    Unter den Opfern befand sich ein Teenager mit Namen 285
    Kennie Hall, der als Laufbursche für einen Geschenkeladen gearbeitet hatte, und in der Zeitung stand, es sei denkbar, daß jemand Kennie beauftragt habe, das Päckchen mit der Bombe zur Post zu bringen. Kennie war jedenfalls der erste in der Schlange gewesen, und Bobbie sagte aus, Mac hätte Kennies Pakete abgefertigt, als die Bombe hochging.
    Aaron las die Unglücksmeldung mit einigem Vergnü-
    gen. Er war froh, daß es Mac und Roger nicht mehr gab. Er wünschte bloß, er hätte sich dieses probate Mittel, sie los-zuwerden, ausgedacht – auch wenn er sich eingestand, daß er schwerlich imstande gewesen wäre, eine Bombe aufzu-treiben oder gar selbst zu verfertigen, die genau im richtigen Moment losgegangen wäre. Trotzdem träumte er von einer solch verwegenen Tat, und es waren stolze, sieg-reiche Träume, die Aarons Phantasie beflügelten. Der Attentäter hatte seine Bombe plaziert, sie war zur rechten Zeit losgegangen, und er war ungeschoren davongekom-men. Aaron verbrannte sein Tagebuch. Die Bombe war besser. Er schnitt die Zeitungsberichte aus und verwahrte sie in seiner Brieftasche.
    Am 27. Dezember meldete Aaron sich auf dem Polizei-revier in Copperville und gab sich als der Bombenleger vom Postamt zu erkennen. Die zwei Polizisten, vor denen er seine Aussage machte, beide blond, jung und kernig, reagierten etwas skeptisch.
    »Kann ich Bobbie MacAllister sprechen?« fragte Aa-
    »Der liegt noch im Krankenhaus«, sagte einer der Polizisten.
    Aaron überredete sie, ihn hinzubringen. Bobbies Arm 286
    war dick bandagiert. Über der rechten Braue hatte er ein paar purpurne Schnittwunden. Aaron wiederholte seine Geschichte. Er schilderte Bobbie, wie er bei sich daheim die Bombe gebastelt und den Zeitzünder gestellt habe, wie er nach Copperville gekommen sei und die in einem Päckchen versteckte Bombe durch Kennie aufs Postamt habe bringen lassen. Als er mit seinem Geständnis zu Ende war, richtete er sich auf, ein hehrer Rächer, der sich seiner Tat nicht schämte und der dennoch gewillt war, jede Strafe, die das Gesetz über ihn verhängen mochte, anzunehmen.
    In Bobbies leere, dunkle Augen trat ein furchtsamer Ausdruck.
    »Na, Bobbie, was ist?« fragte einer der Polizisten. »Sie haben gesagt, Sie kennen diesen Mann. Er hat auf seinem Postamt gearbeitet… Wie lange? Drei Jahre?«
    »Ungefähr, ja. Sie erinnern sich doch sicher auch an ihn, oder?«
    Die beiden Polizisten bestätigten, daß auch sie sich an den ehemaligen Postbeamten Aaron Wechsler erinnern konnten.
    »Ich bin sicher, er sagt die Wahrheit«, erklärte Bobbie.
    »Als er noch bei uns war, hat er manchmal zu Roger und einmal sogar zu Dad gesagt: ›Sie sind tot‹. Wenn ihm…«
    Bobbie versagte die Stimme.
    Aaron wartete geduldig.
    »Ich bin sicher, daß er die Wahrheit sagt«, wiederholte Bobbie. »Der Mann hat einfach 'nen Sprung in der Schüssel, das ist alles.«
    Also nahmen die Polizisten Aaron fest, froh, daß sie 287
    wieder einen Fall als geklärt zu den Akten legen konnten.
    Aaron war nicht so wichtig (und die Opfer waren es auch nicht), als daß man seine Aussage von einem Psychiater hätte auswerten und auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen lassen. Aaron wurde in die staatliche Vollzugsanstalt ein-gewiesen, wo er sich zur Arbeit in der Wäscherei meldete.
    Das Gefängnis beschäftigte einen Psychiater, der einmal pro Woche Gruppentherapien veranstaltete, an denen auch Aaron teilnehmen mußte, aber Aaron war nicht gesprächig.
    Er sah ein, daß er ein banales Leben geführt hatte, und doch hatte er das Gefühl, etwas erreicht zu haben, was nur wenigen Menschen vergönnt ist oder gar gelingt: diejeni-gen, die man verachtet, auszulöschen. Dementsprechend war er ein willfähriger Häftling.
    288

    Spiel mit Variationen

    Es war eine unmögliche Situation. Penn Knowlton wußte das, seit ihm klargeworden war, daß er sich in Ginnie Ostrander verliebt hatte – in Mrs. David Ostrander. Und Penn war nicht

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