Die Augen des Drachen - Roman
vielleicht verletzt. In den Händen der Götter.
Ich liebe Dich, guter Dennis. König Peter.
Dennis las den Brief dreimal, dann brach er in Tränen aus - Freudentränen. Das Licht, welches Peyna gespürt hatte, leuchtete nun hell in Dennis’ Herzen. Das war gut, und bald würde alles wieder gut sein.
Sein Blick glitt immer wieder zu der Zeile: Ich liebe Dich, guter Dennis, die der König mit seinem eigenen Blut geschrieben hatte. Es war nicht notwendig gewesen, das zu der Nachricht hinzuzufügen … und dennoch hatte er es getan.
Peter, ich würde tausend Tode für dich sterben, dachte Dennis. Er steckte den Brief in die Tasche und legte sich hin, ohne das Medaillon von seinem Hals zu entfernen. Diesmal dauerte es sehr lange, bis er einschlafen konnte. Und er schlief noch nicht lange, da wurde er unvermittelt wieder geweckt. Die Tür der Vorratskammer wurde geöffnet - das Quietschen der Türangeln kam Dennis wie ein unmenschliches Kreischen vor. Bevor sein vom Schlaf umnebelter Verstand überhaupt merkte, dass er entdeckt worden war, war ein dunkler Schatten mit brennenden roten Augen über ihm.
103
Gegen drei Uhr an diesem Montagmorgen begann es zu schneien - Ben Staad sah die ersten Flocken vor seinen Augen fallen, als er und Naomi am Rand der Reservate des Königs standen und zum Schloss hinüberblickten. Frisky saß neben ihnen und hechelte. Die Menschen waren müde, und Frisky war auch müde, aber sie war ungeduldig, sie wollte weiter - der Geruch war immer frischer geworden.
Sie hatte sie mühelos von Peynas Haus zu dem verlassenen Bauernhaus geführt, wo Dennis etwa vier Tage verbracht, Kartoffeln gegessen und mit bitteren Gedanken an die Rüben gedacht hatte, die sich letztlich als mindestens ebenso bitter wie die Gedanken erwiesen. In diesem verlassenen Bauernhaus der Inneren Baronien war der hellblaue Geruch, dem sie folgen sollte, praktisch überall gewesen - Frisky hatte aufgeregt gebellt und war mit gesenkter Schnauze von einem Zimmer ins andere gesprungen, wobei sie heftig mit dem Schwanz wedelte.
»Sieh«, sagte Naomi. »Hier hat unser Dennis etwas verbrannt.« Sie deutete zum Kamin.
Ben kam nachsehen, aber er konnte nichts Näheres herausfinden - es waren nur Aschenhäufchen zu sehen, die zerfielen, als er sie berührte. Das waren natürlich Dennis’ erste Entwürfe seines Briefes.
»Was nun?«, fragte Naomi. »Von hier aus ging er zum
Schloss, das ist klar. Die Frage ist, sollen wir ihm folgen oder die Nacht hier verbringen?«
Das war um sechs Uhr gewesen. Draußen war es bereits dunkel.
»Ich denke, wir sollten besser weiter«, sagte Ben langsam. »Schließlich hast du selbst gesagt, wir brauchen Friskys Nase, und nicht ihre Augen … und ich für meinen Teil würde vor dem Thron eines jeden Königs beeiden, dass Frisky eine ausgezeichnete Spürnase hat.«
Frisky, die unter der Tür saß, bellte, als wollte sie das bestätigen.
»Gut«, sagte Naomi.
Er sah sie eingehend an. Es war ein langer Weg vom Lager der Verbannten bis hierher gewesen, und keiner von ihnen hatte viel geschlafen. Er wusste, sie hätten bleiben sollen, aber das Gefühl der Dringlichkeit überwältigte ihn fast.
» Kannst du noch weitergehen?«, fragte er. »Sag bitte nicht, dass du es kannst, wenn du es nicht kannst, Naomi Reechul.«
Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah ihn vorwurfsvoll an. »Ich könnte von der Stelle, wo du tot zusammenbrichst, noch hundert Koner weitergehen, Ben Staad!«
Ben grinste. »Die Chance wirst du vielleicht bekommen«, sagte er. »Aber zuerst müssen wir etwas essen.«
Sie aßen rasch. Als sie gegessen hatten, kniete Naomi vor Frisky nieder und sagte ihr leise, dass sie den Geruch wieder aufnehmen müsse. Das ließ sich Frisky nicht zweimal sagen. Die drei verließen das Bauernhaus, Ben mit einem großen Bündel auf dem Rücken, Naomi mit einem nur wenig kleineren.
Für Frisky war Dennis’ Geruch eine blaue Markierung in der Nacht, so grell wie ein elektrisch glühender Draht. Sie folgte ihm sofort und war verwirrt, als DAS MÄDCHEN sie zurückrief. Dann fiel es ihr ein; wäre er ein Mensch gewesen, hätte Frisky sich mit der Hand vor die Stirn geschlagen und gestöhnt. In ihrer Ungeduld hatte sie Dennis’ Fährte zurück aufgenommen. Um Mitternacht hätten sie wieder vor Peynas Bauernhaus gestanden.
»Schon gut, Frisky«, sagte Naomi. »Lass dir Zeit.«
»Sicher«, sagte Ben. »Eine Woche oder zwei, Frisky. Einen Monat, wenn es sein muss.«
Naomi warf Ben einen
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