Die Augen des Drachen - Roman
aber man konnte sie lesen. Er studierte zuerst die Unterschrift … und seine Augen wurden groß. Der Brief war unterschrieben mit: Dennis - Euer Freund und Diener auf ewig.
»Dennis?«, flüsterte Peter so fassungslos, dass er gar nicht merkte, dass er laut gesprochen hatte. »Dennis?«
Dann drehte er ihn um, und der Anfang des Briefes reichte aus, seinen Herzschlag zu einem Rasen zu beschleunigen. Die Anrede lautete: Mein König.
100
Mein König,
wie Ihr vielleicht wist, habe ich in den vergangenen 5 Jaren Eurem Bruder Thomas gedint. Erst in der letzten Woche habe ich herausgefunnden, das Ihr Euren Vater Roland den Gütigen nich Ermördert habt. Ich weis, wer es tad, und Thomas weis es auch. Ihr würdet den Namen des Schwarzen Mörters auch kenen, wenn ich waagen würde, ihn niderzuschreypen, aber das tue ich Nicht. Ich ging zu Peyna. Peyna ist mit seinem Diner Orlon zu den Verbanten gegangen. Er hat bevohlen, dass ich zum Schloss zurückkehre und Euch disen Brief schreype. Peyna sagt, die Verbanten könten bald zu Rebellen werden, und das darf nich sein. Er denkt, dass Ihr eine Art Plan hapt, aber welchen, das weis er nich. Er befielt, dass ich Euch zu Dinsten bin, und mein Vater hat das auch befolen, befor er starp. Auch mein Herz sagt mir das, den meine Familie hat Eurer Familie stets gedient, und ich weiß, dass Ihr der rechtmäsige König seit. Falls Ihr einen Plan hapt, werde ich Euch auf jede Weise unterstüzen, die ich kann, auch wen es meinen Tot bedeuted. Wenn Ihr dies lest, stehe ich auf dem Blatz der Nadel im Schatten und schaue zu Eurem Gefengniss auf. Solted Ihr einen Plan hapen, so bite ich Euch ans Fenster zu kommen. Falls Ihr was hapt, worauf Ihr schreypen könt, so schreypt
eine Nachrichd, und ich wil versuchen, sie Spät in der Nacht zu hollen. Winkd zweimal, wenn Ihr das versuchen wolt.
Euer Freund Ben ist bei den Verbanten. Peyna hat gesagt, er wirt ihn her Schicken. Ich weiß, wo Er (Ben) sein wirt. Wen Ihr sagt, dass ich ihn hollen sol (Ben), so kan ich das in einem Tag. Oder vielleicht zwey, wen es schneid. Ich weis, es könte gefärlich sein, eine Nachrichd herunter zu werven, aber ich habe das Gefül, die Zeit wird knap. Peyna ist auch diser Meinung. Ich werde Warden und beten.
Dennis
Euer Freund und Diener auf ewig
101
Es dauerte lange, bis Peter seine wirbelnden Gedanken ordnen konnte. Sein Verstand kreiste immer wieder um eine Frage: Was hatte Dennis gesehen, dass er seine Meinung so grundlegend geändert hatte? Was, im Namen aller Götter, konnte es sein?
Allmählich wurde ihm klar, dass es einerlei war - Dennis hatte etwas gesehen, und das genügte.
Peyna. Dennis war zu Peyna gegangen, und Peyna hatte gespürt … nun, der alte Fuchs hatte etwas gespürt, und das war genug. Er denkt, dass Ihr eine Art Plan hapt, aber welchen, das weis er nich. Alter Fuchs, wahrhaftig. Er hatte Peters Bitte um die Servietten und das Puppenhaus nicht vergessen. Er hatte nicht genau gewusst, was das zu bedeuten hatte, aber er hatte gespürt, dass etwas in der Luft lag. Wie wahr, wie wahr.
Was sollte Peter tun?
Ein Teil von ihm - ein starker Teil - wollte genauso weitermachen, wie er es geplant hatte. Er hatte allen Mut für dieses verzweifelte Abenteuer zusammengenommen; nun fiel es ihm schwer, es sein zu lassen und noch länger zu warten. Und dann waren da die Träume, die ihn ebenfalls zur Eile trieben.
Ihr würdet den Namen des Schwarzen Mörters auch kenen, wenn ich waagen würde, ihn niderzuschreypen. Peter kannte ihn durchaus, und das überzeugte ihn mehr als alles andere davon, dass Dennis tatsächlich etwas herausgefunden
hatte. Peter spürte, dass Flagg bald Wind von dieser neuen Entwicklung bekommen würde - und er wollte fort sein, bevor das geschah.
War ein Tag eine zu lange Wartezeit?
Vielleicht. Vielleicht nicht.
Peter wand sich im schmerzenden Griff der Unentschlossenheit. Ben … Thomas … Flagg … Peyna … Dennis … sie wirbelten durch seinen Verstand wie Gestalten in einem Traum. Was sollte er tun?
Schließlich war es das Eintreffen des Briefes selbst - nicht, was darin stand -, das ihn überzeugte. Dass sie auf diese Weise gekommen war, an einer Serviette befestigt, in eben der Nacht, in der er an einem Seil aus Servietten fliehen wollte, das bedeutete, er sollte warten. Aber nur eine Nacht. Ben würde ihm nicht helfen können.
Aber konnte Dennis ihm helfen? Was konnte er tun?
Und plötzlich hatte er einen Gedankenblitz.
Peter war, mit gerunzelter Stirn über
Weitere Kostenlose Bücher