Die Augen des Drachen - Roman
Weitere Schneeflocken fielen vom Himmel herab … immer mehr … und plötzlich war die Luft wie durch ein Wunder voller Schneeflocken.
Trotz seiner Erschöpfung verspürte Ben einen Augenblick des Friedens und der Freude. Er sah Naomi an und lächelte. Sie versuchte ein Stirnrunzeln, aber es gelang ihr nicht, und daher lächelte sie auch. Einen Augenblick später streckte sie die Zunge heraus und versuchte, eine Schneeflocke zu erwischen. Ben lachte leise.
»Wie ist er hineingekommen, wenn überhaupt?«, fragte Naomi.
»Ich weiß es nicht«, sagte Ben. Er war auf einem Bauernhof aufgewachsen und wusste nichts von der Kanalisation des Schlosses. Vielleicht ganz gut für ihn, werdet ihr nun sagen, und damit habt ihr sicher recht. »Vielleicht kann dein Held von einem Hund uns zeigen, wie er es gemacht hat.«
»Du glaubst doch, dass er es geschafft hat, nicht, Ben?«, forschte sie.
»O ja«, sagte Ben. »Was meinst du, Frisky?«
Als sie ihren Namen hörte, stand Frisky auf, folgte der Fährte ein Stück und drehte sich dann aber wieder
zu ihnen um. Naomi sah Ben an. Ben schüttelte den Kopf.
»Noch nicht«, sagte er.
Naomi rief Frisky leise, und sie kam winselnd zurück.
»Wenn sie sprechen könnte, dann würde sie sagen, dass sie Angst hat, den Geruch zu verlieren. Der Schnee wird ihn zudecken.«
»Wir werden nicht lange warten. Dennis hatte Schneeschuhe, aber wir werden etwas haben, was er nicht hatte, Naomi.«
»Und das wäre?«
»Deckung.«
105
Trotz Friskys wachsender Ungeduld, die Fährte wieder aufzunehmen, ließ Ben sie noch fünfzehn Minuten warten. Bis dahin war die Luft zu einer wirbelnden weißen Wolke geworden. Schnee überzuckerte Naomis braunes und sein blondes Haar; Frisky hatte plötzlich eine kalte Hermelinstola an. Die Schlossmauern, die, wie sie wussten, nicht weit entfernt waren, sahen sie nicht mehr.
»Gut«, sagte Ben. »Gehen wir.«
Sie überquerten hinter Frisky das offene Gelände. Die große Schlittenhündin bewegte sich jetzt langsamer und hatte die Schnauze dicht am Boden, um ab und zu kleine Schneewölkchen aufzustäuben. Die hellblaue Spur des Geruchs wurde undeutlicher; diese weiße, geruchslose Substanz vom Himmel deckte sie zu.
»Wir haben vielleicht zu lange gewartet«, sagte Naomi leise neben ihm.
Ben sagte nichts. Er wusste es, und dieses Wissen nagte an seinem Herzen wie eine Ratte.
Allmählich schälte sich ein dunkler Klotz aus dem Schneetreiben heraus - die Schlossmauer. Naomi ging ein wenig voraus. Ben griff nach ihrem Arm. »Der Graben«, sagte er. »Vergiss den Graben nicht. Er ist hier irgendwo. Du wirst über den Rand treten, auf dem Eis ausrutschen und dir den Ha …«
Er kam gerade so weit, und dann blitzten Naomis
Augen ängstlich auf. Sie befreite sich aus seinem Griff. »Frisky!«, zischte sie. »Hai! Frisky! Gefahr! Bleib stehen!« Sie eilte hinter dem Hund her.
Das Mädchen ist absolut durchgeknallt, dachte Ben mit einer gewissen Bewunderung. Dann hastete er hinter ihr drein.
Naomi hätte sich keine Sorgen zu machen brauchen. Frisky war am Rand des Grabens stehen geblieben. Nun hatte sie die Schnauze im Schnee vergraben und wedelte glücklich mit dem Schwanz. Sie biss auf etwas, zog es aus dem Pulverschnee heraus und drehte sich zu Naomi um; ihre Augen schienen zu fragen: Na, bin ich ein guter Hund oder nicht? Was meinst du?
Naomi lachte und umarmte ihren Hund.
Ben sah zur Schlosswand. »Pst!«, flüsterte er ihr zu. »Wenn die Wachen dich hören, stecken wir in der Klemme! Was meinst du, wo wir sind? In eurem Garten?«
»Ach! Wenn sie etwas gehört haben, dann werden sie denken, dass es Schneegeister sind und heim zu Mami laufen.« Aber sie flüsterte jetzt auch. Dann vergrub sie das Gesicht in Friskys Fell und sagte ihr noch einmal, was für ein guter Hund sie war.
Ben kraulte Friskys Kopf. Aufgrund des Schnees fühlten sie sich nicht so schrecklich auf dem Präsentierteller wie Dennis, als er hier gesessen und die Schneeschuhe ausgezogen hatte, die Frisky nun gefunden hatte.
»Sie hat wirklich eine göttliche Nase«, sagte Ben. »Aber was geschah, nachdem er die Schneeschuhe ausgezogen hatte, Frisky? Hat er sich Flügel wachsen lassen und ist über die Westmauer geflogen? Wohin ist er von hier aus gegangen?«
Wie als Antwort lief Frisky von ihnen weg und rannte
und rutschte das steile Ufer zum gefrorenen Graben hinab.
»Frisky!«, rief Naomi mit leiser, erschreckter Stimme.
Frisky stand auf dem Eis, die Pfoten im frischen Schnee
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