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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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galligen Blick zu. Ben verstummte - und das war vermutlich besser so. Die beiden beobachteten Frisky, wie sie hier und dort schnupperte, zuerst am Tor des verlassenen Hauses, dann auf der Straße.
    »Hat sie die Fährte verloren?«, fragte Ben.
    »Nein, sie wird sie jeden Augenblick finden«, widersprach Naomi. Hoffe ich, dachte sie. »Sie hat eine ganze Menge Gerüche auf der Straße gefunden und muss zuerst den richtigen herausfinden.«
    »Schau!«, sagte Ben zweifelnd. »Sie läuft über das Feld dort. Das kann doch nicht richtig sein, oder?«
    »Ich weiß nicht. Hätte er die Straße zum Schloss genommen?«
    Ben Staad war ein Mensch, und er schlug sich vor die Stirn. »Nein, natürlich nicht. Was bin ich für ein Narr!«
    Naomi lächelte süß und sagte nichts.
    Frisky war auf dem Feld stehen geblieben. Sie drehte sich zu dem MÄDCHEN und dem GROSSEN JUNGEN um und bellte ungeduldig, dass sie ihr folgen sollten. Anduanische
Schlittenhunde waren die zahmen Nachfahren der großen weißen Wölfe, welche die Bewohner der Nördlichen Baronie in früheren Zeiten gefürchtet hatten, und auch heute noch, gezähmt oder nicht, waren sie in erster Linie Spürhunde und Jäger. Frisky hatte den hellblauen Glühdraht des Geruchs wiedergefunden, und sie brannte darauf, ihm zu folgen.
    »Komm«, sagte Ben. »Ich hoffe nur, dass sie den richtigen Geruch gefunden hat.«
    »Selbstverständlich! Sieh doch!«
    Sie deutete mit dem Finger, und Ben konnte eine lange, flache Spur im Schnee erkennen. Trotz der Dunkelheit erkannten Ben und Naomi, wovon sie stammte - Schneeschuhe.
    Frisky bellte wieder.
    »Beeilen wir uns«, sagte Ben.
    Um Mitternacht, als sie sich den Reservaten des Königs näherten, begann Naomi ihre Prahlerei zu bedauern, sie könnte noch hundert Koner weitergehen, nachdem Ben tot umgefallen war, denn sie fühlte sich, als könnte ihr in Kürze dieses Schicksal zustoßen.
    Dennis hatte diesen Weg wesentlich schneller zurückgelegt, aber Dennis hatte sich vier Tage ausgeruht, bevor er aufgebrochen war, Dennis hatte Schneeschuhe gehabt und Dennis hatte nicht einem Spürhund folgen müssen, der manchmal die Fährte verlor und erst ein wenig suchen musste, um sie wieder zu finden. Naomis Füße fühlten sich heiß und gummiartig an. Ihre Lunge brannte. Sie hatte Seitenstechen. Sie hatte ein paar Handvoll Schnee in den Mund genommen, aber die hatten ihren brennenden Durst nicht stillen können.
    Frisky, die kein Bündel zu schleppen hatte und ungehindert
über den Schnee laufen konnte, war überhaupt nicht müde. Naomi konnte kurze Strecken über die Schneekruste gehen, aber dann früher oder später trat sie auf eine Stelle, an der die Kruste nicht so dick war und brach bis zu den Knien ein … einige Male sogar bis zu den Hüften. Einmal brach sie bis zur Taille ein und schlug mit müder Wut um sich, bis Ben herüberkam und sie herauszog.
    »Wünschte … Schlitten«, keuchte sie nun.
    »Wünschte … Träume … Schäume«, sagte er und grinste trotz seiner eigenen Erschöpfung.
    »Sehr komisch«, schnappte sie. »Ha-ha. Solltest Hofnarr werden, Ben Staad.«
    »Vor uns sind die königlichen Reservate. Weniger Schnee … leichter zu gehen.«
    Er stemmte die Hände auf die Knie, beugte sich nach unten und keuchte. Naomi dachte plötzlich, dass sie sehr egoistisch und unfreundlich gewesen war, nur an sich zu denken, obwohl Ben noch viel erschöpfter sein musste als sie - er war viel schwerer als sie, und außerdem schleppte er das größere Bündel. Er brach fast bei jedem Schritt durch die Schneekruste, und daher schritt er über das Feld wie ein Mann, der in tiefem Wasser watet, und dennoch hatte er sich noch nicht beschwert oder war langsamer geworden.
    »Ben, alles in Ordnung?«
    »Nein«, keuchte er und grinste. »Aber ich werde es schaffen, schönes Kind.«
    »Ich bin kein Kind«, sagte sie wütend.
    »Aber schön bist du«, sagte er, presste den Daumen an die Nasenspitze und wackelte mit den Fingern, als winkte er ihr spöttisch zu.

    »Oh, das wirst du mir büßen …«
    »Später«, keuchte er. »Wettrennen zum Wald. Komm!«
    Und so rannten sie - Frisky vor ihnen her, dem Geruch nach -, und er war schneller als sie, was sie noch wütender machte … aber sie bewunderte ihn auch.

104
    Nun standen sie da und blickten über siebzig Koner offenes Land. Sie befanden sich am Rand des Waldes, wo König Roland einst einen Drachen erschlagen hatte, und sahen zu den Mauern des Schlosses, wo er selbst ermordet worden war.

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