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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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eingesunken, und sah zu ihnen herauf. Der Schwanz wedelte leicht, und ihre Augen flehten sie an, ihr zu folgen. Sie bellte nicht. Irgendwie wusste sie, dass sie das nicht durfte, obwohl Naomi ihr nicht befohlen hatte, still zu sein. Aber sie bellte in Gedanken. Der Geruch war immer noch da, und sie wollte ihm auf der Stelle folgen, bevor er endgültig verschwunden war, was sicher keine Stunde mehr dauern würde.
    Naomi sah Ben fragend an.
    »Ja«, sagte er. »Selbstverständlich. Wir müssen gehen. Komm. Aber sie soll dicht bei uns bleiben - lass sie nicht vorauslaufen. Hier lauert Gefahr. Ich spüre es.«
    Er streckte die Hand aus. Naomi ergriff sie, dann schlitterten sie gemeinsam zum Graben hinunter.
    Frisky führte sie langsam über das Eis zur Schlosswand. Sie grub nun buchstäblich nach dem Geruch, ihre Schnauze hinterließ eine Furche im Schnee. Die Fährte wurde mittlerweile von anderen, unangenehmen Gerüchen überlagert - schmutziges Brackwasser, Müll, Abfälle.
    Dennis hatte gewusst, dass das Eis gefährlich brüchig werden würde, je näher er dem Ausfluss kam. Selbst wenn er es nicht gewusst hätte, hätte er das offene Wasser direkt unterhalb des Rohrs erkennen können.
    Für Ben, Naomi und Frisky war das nicht so einfach. Sie gingen einfach davon aus, dass das Eis überall gleich dick war, nachdem es sie am äußeren Rand des Grabens getragen hatte. Und in dem dicht fallenden Schnee konnten sie sich nicht auf ihre Augen verlassen.

    Friskys Augen waren die schwächsten, und sie ging voraus. Ihre Ohren waren scharf, und sie hörte das Eis unter dem Schnee knirschen … aber ihre Gedanken waren so sehr auf die Fährte konzentriert, dass sie nicht auf das leise Knirschen achtete … bis das Eis unter ihr nachgab und sie platschend in den Graben fiel.
    »Frisky! Fr...«
    Ben presste seine Hand auf ihren Mund. Naomi bemühte sich, von ihm freizukommen, aber mittlerweile hatte er die Gefahr erkannt und hielt sie eisern fest.
    Naomi hätte sich keine Sorgen machen müssen. Natürlich können alle Hunde schwimmen, und mit seinem dichten, fettigen Fell war Frisky im Wasser sicherer, als es die beiden Menschen gewesen wären. Inmitten von Eisstücken und sahneähnlichen Schneeklumpen, die sich schnell in dunkle Schlieren verwandelten und schmolzen, paddelte sie fast bis zur Schlossmauer. Sie hob den Kopf und suchte nach dem Geruch, und als sie ihn wieder gefunden hatte, machte sie kehrt und schwamm zu Ben und Naomi zurück. Sie legte die Pfoten auf den Rand des Eises, doch dieser brach ab. Sie versuchte es noch einmal. Naomi schrie auf.
    »Sei still, Naomi, sonst sitzen wir bei Einbruch der Dämmerung im Kerker«, sagte Ben. »Halt meine Knöchel fest.« Er ließ sie los und legte sich flach auf den Bauch. Naomi kauerte hinter ihm und umklammerte seine Stiefel. So dicht am Eis, konnte Ben es deutlich knirschen und ächzen hören. Es hätte einer von uns sein können, dachte er, und das wäre wirklich schlimm gewesen.
    Er spreizte die Beine, um sein Gewicht besser zu verteilen, dann packte er Frisky an den Vorderpfoten, direkt
unterhalb ihrer starken, breiten Brust. »Hier geht’s lang, Alte«, knurrte Ben. »Hoffe ich.« Dann zog er.
    Einen Augenblick glaubte Ben, das Eis würde einfach weiter unter Friskys Gewicht brechen, als er sie vorwärtszog - und zuerst er und dann Naomi würden ihr in den Graben folgen. Wenn er früher an einem Sommertag auf dem Weg ins Schloss diesen Graben überquert hatte, um mit seinem Freund Peter zu spielen, wenn der Himmel blau war und weiße Wölkchen sich in der Wasseroberfläche spiegelten, hatte Ben ihn stets so schön wie in einem Gemälde gefunden. Er hätte nie gedacht, dass er in einer schwarzen Nacht während eines Schneesturms darin ertrinken könnte. Zudem stank er fürchterlich.
    »Zieh mich zurück!«, knurrte er. »Dein verdammter Hund wiegt eine Tonne!«
    »Wage es nicht, schlecht über meinen Hund zu sprechen, Ben Staad!«
    Bens Augen waren zu angestrengten Schlitzen zusammengepresst, die verkniffenen Lippen entblößten zusammengebissene Zähne. »Bitte tausendmal um Entschuldigung. Aber wenn du mich jetzt nicht sofort zurückziehst, werde ich, fürchte ich, ein Bad nehmen.«
    Irgendwie schaffte sie es, wenngleich Ben und Frisky zusammen mindestens dreimal so viel wogen wie sie selbst. Bens flach an den Boden gepresster Körper hinterließ eine Schleifspur, zwischen seinen Beinen bildete sich eine Schneepyramide wie aufgeworfene Erde zwischen den Scharen eines

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