Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
Vom Netzwerk:
der Boden der Röhre war mit einer stinkenden Brühe bedeckt, die jeden Geruch weggewaschen hatte). Es war dasselbe elektrische Hellblau. Der andere Geruch war ein dumpfes, ledernes Grün. Frisky hatte Angst davor. Sie wusste, dass manche Gerüche töten konnten, und sie wusste, vor nicht langer Zeit war da so ein Geruch gewesen. Aber er verlor allmählich seine Wirksamkeit, und Dennis’ Fährte hatte jedenfalls von der größeren Konzentration weggeführt. Kurz vor dem Gullydeckel, aus dem Dennis herausgeklettert war, verlor sich allmählich der dunkelgrüne Geruch - und Frisky war in ihrem ganzen Leben noch nie so glücklich darüber gewesen, einen Geruch zu verlieren.
    »Und ihr seid niemandem begegnet? Gar niemandem?«, fragte Dennis ängstlich.
    »Niemandem«, sagte Ben. »Ich ging ein wenig voraus und hielt die Augen offen. Ich habe einige Male Wachen gesehen, aber wir hatten immer genügend Zeit, um in Deckung zu gehen, bevor sie uns sehen konnten.

    In Wahrheit hätten wir wahrscheinlich direkt hierher gehen können, an zwanzig Wachen vorbei, und wären höchstens ein- oder zweimal angesprochen worden. Die meisten waren völlig betrunken.«
    Naomi nickte. »Wachen«, sagte sie. »Betrunken. Und nicht betrunken auf einem Wachturm in einer nördlichen Provinz, von der kein Mensch je etwas gehört hat, sondern betrunken im Schloss! Direkt hier im Schloss!«
    Dennis, der sich an den betrunkenen, nasebohrenden Sänger erinnerte, nickte düster. »Ich denke, wir sollten froh sein. Wäre der Wachdienst heute noch das, was er zu Rolands Zeit war, dann säßen wir alle längst bei Peter in der Nadel. Aber irgendwie kann ich nicht froh sein.«
    »Ich will euch eines sagen«, meinte Ben mit leiser Stimme. »Wenn ich Thomas wäre, würde ich jedes Mal vor Angst fast sterben, wenn ich nach Norden sehe, falls er tatsächlich keine besseren Wachen hat als die, die wir heute Nacht gesehen haben.«
    Diese Vorstellung schien Naomi äußerst zu beunruhigen. »Beten wir, dass es niemals dazu kommt«, sagte sie.
    Ben nickte.
    Dennis streichelte Friskys Kopf. »Und du bist mir von Peynas Haus bis hierher gefolgt, ja? Was für ein kluger Hund du bist.«
    Frisky wedelte glücklich mit dem Schwanz.
    Naomi sagte: »Ich würde gern die Geschichte vom schlafwandelnden König hören, Dennis, wenn du sie noch einmal erzählen möchtest.«
    Und so erzählte Dennis die Geschichte, genau so, wie er sie Peyna und wie ich sie euch erzählt habe, und sie hörten so gebannt zu wie Kinder der Geschichte vom sprechenden Wolf in Großmutters Nachthemd.

108
    Als er damit fertig war, war es sieben Uhr. Draußen hatte sich ein düsteres graues Licht über Delain gelegt - dieses klumpige Sturmlicht war um sieben bereits so hell, wie es den ganzen Tag sein würde, denn der schlimmste Sturm dieses Winters - vielleicht der ganzen Geschichte überhaupt - war über Delain hereingebrochen. Der Wind heulte wie ein Rudel Banshees um die Zinnen des Schlosses. Sogar hier unten konnten die Flüchtlinge ihn hören. Frisky hob den Kopf und winselte unbehaglich.
    »Was machen wir jetzt?«, fragte Dennis.
    Ben, der Peters kurze Nachricht mehrmals durchgelesen hatte, sagte: »Vor heute Nacht nichts. Das Schloss ist inzwischen wach, und wir können unmöglich hier heraus, ohne gesehen zu werden. Wir schlafen. Sammeln Kräfte. Und heute Nacht, vor Mitternacht …«
    Ben erklärte kurz. Naomi grinste; Dennis’ Augen wurden ganz groß vor Aufregung. »Ja!«, sagte Dennis. »Bei den Göttern! Du bist ein Genie, Ben!«
    »Bitte, nur nicht übertreiben«, sagte Naomi, aber dann grinste sie so breit, dass das Grinsen ihren Kopf in zwei Hälften zu teilen schien. Sie legte die Arme um Ben und gab ihm einen herzhaften Kuss.
    Bens Kopf nahm sofort eine beunruhigend rote Farbe an (es sah so aus, als stünde er kurz davor, dass »sein Gehirn platzte«, wie man in Delain in jenen Tagen sagte)
- aber ich muss hinzufügen, dass er gleichzeitig sehr erfreut wirkte.
    »Wird Frisky uns helfen?«, fragte Ben, als er wieder zu Atem gekommen war.
    Als sie ihren Namen hörte, sah Frisky wieder auf.
    »Selbstverständlich wird sie das tun. Aber wir brauchen auf jeden Fall …«
    Sie unterhielten sich noch eine Weile über den Plan, dann schien Bens untere Gesichtshälfte in einem riesigen Gähnen zu verschwinden. Auch Naomi sah müde aus. Sie waren inzwischen seit mehr als vierundzwanzig Stunden wach, wie ihr euch erinnern werdet, und hatten eine weite Strecke zurückgelegt.
    »Schluss

Weitere Kostenlose Bücher