Die Augen des Drachen - Roman
mehr als in Thomas -, und dass der Junge sein Pferd bekommen würde. Natürlich würde ihm das Herz brechen, wenn das Pferd starb, aber, wie der Pferdedoktor ganz richtig gesagt hatte, das ging ihn nichts an. Er verstand etwas von der Erziehung von Pferden; die Erziehung von Prinzen sollte man anderen überlassen.
Peter bekam den Stock zu spüren, weil er sich in die Angelegenheiten des Stallmeisters eingemischt hatte, und wenngleich dies seiner schmerzenden Kehrseite kein Trost war, begriff Peter, dass sein Vater ihm eine große Ehre hatte zuteil werden lassen, als er die Prügel selbst durchführte, anstatt sie einem Untergebenen zu überlassen, der sich vielleicht die Gunst des Prinzen zu erschleichen versucht hätte, indem er ihn milde behandelte.
Peter konnte drei Tage nicht auf dem Rücken schlafen und beinahe eine Woche lang nicht im Sitzen essen, aber was das Pferd anbelangte, so hatte der Stallmeister ebenfalls recht gehabt - Roland erlaubte Peter, es zu behalten.
»Es wird deine Zeit nicht lange in Anspruch nehmen, Peter«, sagte Roland. »Wenn Yosef sagt, es wird sterben, dann wird es sterben.« Rolands Gesicht war ein wenig blass, und seine alten Hände zitterten. Das Schlagen hatte ihm selbst mehr Schmerzen bereitet als Peter,
der sein Liebling war … auch wenn Roland sich närrisch der Überzeugung hingab, außer ihm selbst würde das niemand bemerken.
»Ich weiß nicht«, sagte Peter. »Ich hatte den Eindruck, als hätte der Pferdedoktor gewusst, wovon er sprach.«
Wie sich herausstellte, traf das zu. Das Pferd bekam keine Blutvergiftung, es starb nicht, und das Hinken war am Ende so leicht, selbst Yosef musste zugeben, dass man es kaum bemerkte. »Jedenfalls nicht, solang es frisch ist«, schränkte er ein. Peter war mehr als sorgfältig beim Auflegen der Umschläge; er tat es mit fast religiösem Eifer. Er wechselte sie dreimal täglich, und ein viertes Mal bevor er zu Bett ging. Ben Staad vertrat ihn manchmal, aber nur ganz selten. Peter nannte das Pferd Peony, und sie waren von nun an gute Freunde.
Als Flagg Roland abgeraten hatte, Peter weiterhin mit dem Puppenhaus spielen zu lassen, da hatte Flagg mit einem ganz sicher recht gehabt: Diener waren überall, sie sahen alles, und ihre Zungen waren lose. Mehrere Diener waren Zeuge der Szene vor den Stallungen geworden, aber wenn alle dort gewesen wären, die später behaupteten, selbst dabei gewesen zu sein, hätte sich eine ganze Heerschar an jenem heißen Sommertag auf dem Hof vor dem Stall drängen müssen. Das war natürlich nicht der Fall gewesen, aber die Tatsache, dass für viele der Vorfall so interessant war, dass sie deswegen logen, spricht deutlich dafür, für was für eine interessante Persönlichkeit man Peter hielt. Man redete so viel darüber, dass es zu einer Art kurzfristigem Wunder in Delain wurde. Auch Yosef redete; ebenso der junge Pferdedoktor. Und jeder sprach lobend von dem jungen Prinzen - besonders Yosefs Worte hatten großes Gewicht, denn
er wurde allgemein respektiert. Er begann damit, Peter den »jungen König« zu nennen, was er noch niemals zuvor getan hatte.
»Ich glaube fest, dass Gott die Mähre verschont hat, weil der junge König sich so wacker für sie eingesetzt hat«, sagte er. »Und er hat wie ein Sklave geschuftet, um die Umschläge aufzulegen. Mutig ist er; er hat das Herz eines Drachen. Eines Tages wird er ein prachtvoller König werden. Ah! Ihr hättet seine Stimme hören sollen, als er mir befahl, den Hammer wegzulegen.«
Es war wahrhaftig eine gute Geschichte, und Yosef trank die folgenden sieben Jahre umsonst - bis Peter eines scheußlichen Verbrechens angeklagt, für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft in der Zelle in der Spitze der Nadel verurteilt wurde.
15
Ihr fragt euch vielleicht, wie Thomas wohl war, und einige von euch weisen ihm vielleicht bereits die Rolle des Schurken zu, dem willigen Komplizen Flaggs in dem Plan, dem rechtmäßigen Thronerben die Krone zu entreißen.
Das war aber eigentlich nicht ganz richtig, wenngleich es für manche so aussah und Thomas durchaus eine gewisse Rolle spielte. Ich muss gestehen, er schien wirklich kein ausgesprochen guter Junge zu sein - jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Er war sicher kein guter Junge in dem Sinne, wie Peter einer war, aber neben Peter hätte kein Bruder gut ausgesehen, und das wusste auch Thomas selbst, als er vier Jahre alt war - das war in dem Jahr nach dem berühmten Sackhüpfen und in dem Jahr, als sich der
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