Die Augen des Drachen - Roman
Die königliche Ratte oben war vergiftet worden, eine einfache Maus genügte, um zu gewährleisten, dass das Verbrechen dem königlichen Rattenkind angekreidet wurde. Wenn alles gut ging, würde Peter bald eben so unentrinnbar eingesperrt sein wie diese Mäuse.
Flagg griff in den Käfig und holte eine heraus. Sie zitterte heftig in seiner hohlen Hand. Er konnte ihr schnelles Herzklopfen spüren und wusste, wenn er sie einfach nur weiter hielt, würde sie bald vor Angst sterben.
Flagg deutete mit dem kleinen Finger der linken Hand auf die Maus. Der Fingernagel leuchtete kurz blau auf.
»Schlafe«, befahl der Zauberer, und die Maus fiel auf die Seite und schlief in seiner offenen Hand ein.
Flagg brachte sie in sein Arbeitszimmer, wo er sie auf den Schreibtisch legte - an die Stelle, wo zuvor der Briefbeschwerer aus Obsidian gelegen hatte. Er begab sich in seine Vorratskammer und ließ ein wenig Met aus einem Eichenfass auf eine Untertasse tropfen, den er zusätzlich mit Honig süßte. Er stellte die Untertasse auf den Schreibtisch, dann ging er hinaus auf den Flur und atmete am Fenster wieder tief durch.
Mit angehaltenem Atem kam er herein und gab mit der Pinzette den Rest des Drachensands bis auf die letzten drei oder vier Körnchen in den honiggesüßten Met. Dann öffnete er eine andere Schublade seines Schreibtischs und nahm ein weiteres Päckchen heraus, das leer war. Schließlich griff er ganz hinten in die Schublade und holte ein ganz spezielles Kästchen heraus.
Dieses Kästchen war verhext, aber der Zauber war nicht besonders stark. Es konnte den Drachensand nur kurze Zeit sicher verwahren. Dann würde er auf das Papier einwirken. Es würde sich nicht entzünden; nicht in dem Kästchen, in dem nicht genügend Luft war. Aber es würde rauchen und schwelen, und das genügte. Das war sogar ganz ausgezeichnet.
Flaggs Brust zerbarst fast, dennoch verweilte er noch einen Augenblick, betrachtete das Kästchen und gratulierte sich dazu. Er hatte es vor zehn Jahren gestohlen. Wenn man ihn damals gefragt hätte, warum er es mitnahm, so hätte er darauf ebenso wenig eine Antwort geben können wie auf die Frage, weshalb er Thomas den Geheimgang gezeigt hatte, der hinter dem Drachenkopf endete - sein Instinkt für Unheil hatte ihm geraten, es mitzunehmen, weil er es vielleicht einmal brauchen könnte, und daher hatte er es getan. Nachdem es jahrelang in seinem Schreibtisch gelegen hatte, war jetzt der Zeitpunkt gekommen, da es sich als nützlich erwies.
PETER war in den Deckel des Kästchens eingraviert.
Sasha hatte es ihrem Jungen geschenkt; er hatte es einen Augenblick in einem Flur stehen lassen, als er dort irgendetwas nachgelaufen war; Flagg kam vorbei, sah es und steckte es in die Tasche. Natürlich war Peter vor Kummer außer sich gewesen, und wenn ein Prinz außer
sich ist - auch wenn er nur sechs Jahre alt ist -, dann nimmt man davon Notiz. Es hatte eine Suche stattgefunden, aber das Kästchen war niemals gefunden worden.
Mit Hilfe der Pinzette schüttete Flagg vorsichtig die letzten Körnchen Drachensand aus dem ursprünglichen Päckchen, das völlig verhext war, in das, welches nur teilweise verhext war. Dann ging er zurück an das Fenster im Flur und atmete durch. Er atmete erst dann wieder, als er das neue Päckchen in das alte Holzkästchen gelegt, die Pinzette dazugegeben, den Deckel langsam geschlossen und das ursprüngliche Päckchen in den Abfluss geworfen hatte.
Flagg sputete sich nun, aber er fühlte sich ziemlich sicher. Die Maus schlief; das Kästchen war verschlossen; belastende Beweise waren sicher in seinem Inneren. Alles war in Ordnung.
Er deutete mit dem kleinen Finger seiner linken Hand auf die Maus, die ausgestreckt auf seinem Schreibtisch lag wie ein Fellteppich für Kobolde, und befahl: »Erwache.«
Die Füße der Maus zuckten. Sie öffnete die Augen. Sie hob den Kopf.
Lächelnd ließ Flagg den kleinen Finger kreisen und sagte: »Lauf.«
Die Maus lief im Kreis.
Flagg hob und senkte den Finger. »Spring.«
Die Maus begann auf den Hinterbeinen zu springen wie ein Hund auf dem Jahrmarkt und rollte wild mit den Augen.
»Jetzt trink«, sagte Flagg und deutete mit dem kleinen Finger auf den Teller mit honigsüßem Met.
Draußen heulte eine Windbö auf. Auf der anderen Seite
der Stadt brachte eine Hündin einen Wurf zweiköpfiger Welpen zur Welt.
Die Maus trank.
»Jetzt«, sagte Flagg, nachdem die Maus hinreichend vergifteten Met getrunken hatte, dass es für seine Zwecke
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