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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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habe Euch ein Glas Wein gebracht, mein König, um Euch zu zeigen, dass auch ich Euch liebe.«
    Er reichte es Roland, der auf absurde Weise gerührt aussah.
    Nicht trinken, Vater!, dachte Thomas plötzlich - er war beunruhigt, ohne dass er es sich erklären konnte. Roland hob unvermittelt den Kopf, beinahe so, als hätte er es gehört.
    »Er ist ein guter Junge, mein Peter«, sagte Roland.
    »Wahrhaftig«, antwortete Flagg. »Das sagt jeder im Königreich.«
    »Wirklich?«, fragte Roland mit zufriedener Miene. »Sagt man das wirklich?«
    »Ja - das sagt man. Sollen wir auf ihn trinken?« Flagg hob das Glas.
    Nein, Vater!, schrie Thomas wieder in Gedanken, aber wenn sein Vater auch scheinbar den ersten Gedanken
gehört hatte, diesen hörte er nicht. Die Liebe zu Thomas’ älterem Bruder strahlte aus seinem Gesicht.
    »Also, auf Peter!« Roland hielt das Glas mit dem vergifteten Wein in die Höhe.
    »Auf Peter!«, stimmte Flagg lächelnd zu. »Auf den König!«
    Thomas krümmte sich in der Dunkelheit. Flagg bringt zwei unterschiedliche Trinksprüche aus! Ich weiß nicht, was er damit meint, aber … Vater!
    Diesmal war es Flagg, der seinen finsteren, nachdenklichen Blick einen Augenblick auf den Drachenkopf richtete, als hätte er den Gedanken gehört. Thomas erstarrte, und nach einem Augenblick betrachtete Flagg wieder Roland.
    Sie stießen die Gläser zusammen und tranken. Als sein Vater das Glas leerte, war Thomas, als würde ihm ein Eissplitter ins Herz getrieben.
    Flagg machte eine halbe Drehung im Sessel und warf das Glas ins Feuer. »Peter!«
    »Peter!«, wiederholte Roland und warf sein eigenes hinein. Es prallte gegen die rußige Ziegelwand im Kamin und fiel in die Flammen, die einen Augenblick in einem hässlichen Grün zu flackern schienen.
    Roland hielt einen Augenblick die Hand vor den Mund, als wollte er ein Rülpsen unterdrücken. »Hast du ihn gewürzt?«, fragte er. »Er schmeckte beinahe … heiß.«
    »Nein, mein Lord«, sagte Flagg ernst, aber Thomas glaubte, ein Lächeln hinter der Maske der Ernsthaftigkeit des Zauberers zu spüren, und der Eissplitter drang tiefer in sein Herz ein. Plötzlich wollte er nicht mehr spionieren, nie mehr. Er machte die Gucklöcher zu und
schlich in sein Zimmer zurück. Ihm wurde erst heiß, dann kalt, dann wieder heiß. Am Morgen hatte er Fieber. Bevor es ihm wieder gut ging, war sein Vater tot, sein Bruder gefangen in der Zelle in der Spitze der Nadel, und er war mit kaum zwölf Jahren König - Thomas der Lichtbringer wurde er bei der Krönung genannt. Und wer war sein engster Ratgeber?
    Ihr habt es erraten.

30
    Als Flagg Roland verließ (der alte Mann fühlte sich mittlerweile lebhafter denn je, ein sicheres Zeichen dafür, dass der Drachensand in ihm arbeitete), ging er zurück in sein finsteres Kellergemach. Er nahm die Pinzette und das Papier mit den restlichen Körnchen Sand und legte sie auf seinen riesigen alten Schreibtisch. Dann drehte er sein Stundenglas um und las weiter.
    Draußen heulte und kreischte der Wind - alte Frauen krümmten sich in ihren Betten und schliefen schlecht und erzählten ihren Männern, dass Rhiannon, die Dunkle Hexe vom Coos, heute Nacht auf ihrem abscheulichen Besen durch die Lüfte reite und Teufelswerk auf den Fuß folgen würde. Die Männer grunzten, drehten sich um und befahlen ihren Frauen, sie in Ruhe zu lassen. Sie waren größtenteils unempfindsame Klötze; wenn man ein Auge braucht, das auch Staubkörnchen im Wind fliegen sieht, würde ich mich immer auf die alten Frauen verlassen.
    Einmal krabbelte eine Spinne über Flaggs Buch, berührte einen Zauberspruch, der so schrecklich war, dass nicht einmal der Zauberer wagte, ihn zu benutzen, und verwandelte sich auf der Stelle in Stein.
    Flagg grinste.
    Als das Stundenglas leer war, drehte er es nochmals um. Und nochmals. Und nochmals. Insgesamt drehte er es achtmal um, und als der Sand in der achten Stunde
beinahe verronnen war, machte er sich daran, den letzten Teil seines Plans auszuführen. In einem dunklen Zimmer etwas abseits von seinem Arbeitszimmer hielt er eine große Anzahl von Tieren, dorthin ging er zuerst. Die kleinen Geschöpfe zuckten zusammen und verkrochen sich, als Flagg sich ihnen näherte. Er konnte es ihnen nicht verdenken.
    In der hinteren Ecke stand ein Weidenkäfig mit einem halben Dutzend braunen Mäusen - solche Mäuse waren überall im Schloss, und das war wichtig. Hier unten gab es auch riesige Ratten, aber eine Ratte wollte Flagg heute Nacht nicht.

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