Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Augen Rasputins

Die Augen Rasputins

Titel: Die Augen Rasputins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
bin in Gedanken bei Dir. Wir stehen in der Ecke, Du hältst mich fest. Wenn ich die Augen schließe, kann ich Dich fühlen. Ich denke ganz fest daran, daß ich Dir doch gesagt habe, wo ich arbeite. Du könntest mich abends dort abholen. Herr Retling hat bestimmt nichts dagegen. Und meinem Vater kann ich sagen, daß Herr Retling mich gebeten hat, eine Stunde länger zu bleiben, weil er mir noch ein paar besonders schöne Steine zeigen wollte, die aber leider erst so spät eintrafen. Das würde mir mein Vater glauben, und wir hätten eine Stunde für uns. Jetzt denke ich nur noch die Adresse, und ich hoffe so sehr, daß Du mich hören kannst.
    Deine Patrizia
    Natürlich hatte Schramm sie nicht gehört. Er war auch nicht angewiesen gewesen auf ihre Gedanken an die Adresse eines Herrn Retling oder eine von ihrer Schwester überbrachte Botschaft. Immerhin hatte er sie heimgebracht. Und unter dem Datum des folgenden Dienstags stand:
    Ich habe immer noch Herzklopfen. Ich habe Heiko gesehen, als ich eben heimkam, wir haben sogar miteinander sprechen können. Er hat an der Ecke auf mich gewartet, er ist auch jetzt noch da. Das kann ich fühlen. Vom Fenster aus könnte ich ihn bestimmt sehen. Aber Papa hat mir verboten, ans Fenster zu gehen. Er hat uns zusammen gesehen, kam sofort raus und rief nach mir. Dann wollte er wissen, wer das war. Er meinte gleich, das wäre doch der Typ aus der Disco. Er hat ein paar so gemeine Sachen gesagt, die mag ich gar nicht wiederholen. Wie kann er denn so etwas sagen? Er kennt Heiko doch nicht. Er will ihn auch nicht kennenlernen. Und jetzt steht Heiko da unten und schaut zu mir herauf. Am liebsten würde ich weinen, aber ich bin so wütend auf Papa. Das ist wieder typisch, für ihn sind alle Leute erst einmal schlecht. Er kann sich gar nicht vorstellen, daß es Menschen gibt, die nicht nur an sich selbst denken. Jetzt lege ich mich ins Bett, und dann stelle ich mir vor, daß Heiko bei mir ist. Er ist in Gedanken immer bei mir, genauso wie ich bei ihm bin. Wir liegen nebeneinander und sehen uns an. Er hat so wunderschöne Augen, wenn er mich ansieht, wird mir ganz warm. Beim Tanzen ist mir sogar ein bißchen schwindelig davon geworden.
    Ein leicht zu begeisternder, gefühlsmäßig überschwenglich veranlagter und verträumter Teenager, hatte Ed gedacht, als er das las. Die ganz große Liebe, ein erwachsener Mann. Doch jeder normal empfindende Mann in diesem Alter hätte spätestens an dem Dienstag abend erkannt, daß weitere Bemühungen aussichtslos waren. Ein sechzehnjähriges Mädchen, noch ganz unter Papas Fuchtel, selbst das kleinste Verbot befolgend und nicht am Fenster erscheinend, um wenigstens noch einen Blick auf den Heißgeliebten zu werfen, womit Schramm doch bestimmt gerechnet hatte. Da ging man heim und suchte sich am nächsten Wochenende etwas Neues. Jeder normal empfindende Mann in diesem Alter hätte so gehandelt. Nicht Heiko Schramm. Möglich, daß er anfangs ein bißchen um seine Sicherheit besorgt gewesen war. Daß er nur wissen wollte, aus welchen Gründen Patrizia die Verabredung nicht eingehalten hatte. Ed ging davon aus, daß Schramm an dem Dienstag erfahren6 hatte, was für ihn wichtig war. Hausarrest und zu Papa kein Wort zuviel, ganz bestimmt keins von den Geschäften mit jungen Männern. Danach gab es für Schramm keine Veranlassung mehr, sich weiterhin um Patrizia zu bemühen. Aber er tat es, sehr intensiv sogar, obwohl nicht die geringste Aussicht auf mehr als ein paar Blicke bestand. Die nächste Eintragung in Patrizias Tagebuch war freitags erfolgt.
    Jetzt steht Heiko schon den vierten Tag an der Straßenecke. Ich sah ihn schon von weitem, als ich eben heimkam. Wir haben nicht miteinander gesprochen. Das haben wir auch gestern und vorgestern nicht getan, weil Papa schon am Fenster stand und auf mich wartete. Wir haben uns nur angesehen. Er hat gelächelt. Er wird die ganze Nacht draußen bleiben, ich weiß es. Gestern und vorgestern war er auch die ganze Nacht draußen, ich konnte ihn fühlen. Er schaut zu meinem Fenster hinauf und stellt sich vor, daß er ganz nah bei mir ist. Es ist so ein himmlisch warmes Gefühl, einzuschlafen und genau zu wissen, daß da draußen ein Mann steht, der mich wirklich liebt. Das tut Heiko. Und Papa kann das nicht verhindern. Er kann es ihm nicht so einfach verbieten, wie er mir verbietet, am Sonntag auszugehen oder mit Heiko zu reden. Er kann ihn auch nicht wegjagen. Auf der Straße darf jeder stehen, wo er will. Und es darf

Weitere Kostenlose Bücher