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Die Augen Rasputins

Die Augen Rasputins

Titel: Die Augen Rasputins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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auch jeder denken, was er will.
    Es war für Ed nicht lange die Frage gewesen, woran Schramm gedacht hatte, als er da auf der Straße stand, das Fenster vor Augen, hinter dem sich ein kleines Mädchen in die große Liebe hineinsteigerte. Aber an das Mädchen hatte Schramm vermutlich nicht gedacht, nicht eine Sekunde lang. Das ging eindeutig aus den Gerichtsakten hervor.

2. Kapitel 
    Vor Jahren, als Ed ihr die Zusammenhänge erklärte, ihre eigenen Gefühle, Schramms Gefühle, dessen Charakter und Absichten, hatte das alles sehr logisch geklungen. Eine prüde Erziehung, bei der die Dinge nicht einmal angesprochen, geschweige denn, getan werden durften. Die Liebe zu ihrem Vater, daß sie ihn nicht enttäuschen, daß sie nicht in Dorotheas Fußstapfen habe treten wollen. Von dem inneren Widerstreit hatte Ed gesprochen, dem allmählich wachsenden Verlangen nach körperlicher Zärtlichkeit und der schon panischen Furcht vor den Folgen. Und daß Heiko Schramm nichts weiter getan hatte, als sich voll und ganz auf ihre Ängste einzustellen und sie für seine Zwecke zu nutzen. In den jeweils fünfzig Minuten, in denen Ed damals darüber sprach, war es immer die einzige Wahrheit gewesen. Doch anfangs waren ihr meist schon auf dem Heimweg wieder leise Zweifel gekommen. Vielleicht hatte Heiko Schramm sie doch geliebt, sehr sogar, mehr als sich selbst, genau so, wie sie ihn geliebt hatte. Vielleicht hatte er den einzigen Weg gefunden, die Furcht zu umgehen, all die Ängste zu überlisten und den Gefühlen freien Lauf zu lassen. Sie hatte es immer so empfunden, wie sie es Eddi später einmal beschrieb.

    »Er schaut dich an, und du läßt dich fallen. «

    Und dann war da so viel Sicherheit, dann fiel man in Watte, mitten hinein in ein weiches, duftiges Gebilde, in dem man selbst ganz schwerelos war und alles um einen herum absolut ohne Belang. Und Ed behauptete:

    »Er hatte soviel Interesse an deiner Person wie an einem Wetterbericht vom vergangenen Oktober. «

     Ed sagte, daß ein Mann, der ein Mädchen liebt, auch irgendwann mit diesem Mädchen schlafen will und alles daran setzt, eine Möglichkeit dazu zu schaffen. Der eine früher, der andere später, aber jeder irgendwann. Weil es ganz natürlich ist, weil es einfach dazu gehört. Zuerst hatte sie ihm heftig widersprochen. Dann hatte sie es aufgegeben, ihn auf seinen Irrtum hinzuweisen, ihm auch noch zu erklären, daß es unter Umständen viel reizvoller sein konnte, eine Berührung nur in der Phantasie zu erleben. Weil der Phantasie keine Grenzen gesetzt sind. Weil man alles erleben kann und nichts fürchten muß. Und dann war alles sehr viel intensiver, lustvoller, dann war es so, wie es in Wirklichkeit niemals sein konnte, vollkommen. Mit Eddi zu schlafen, war bisher immer schön gewesen. Eddi war ein zärtlicher, ein leidenschaftlicher und phantasievoller Liebhaber, und er wußte auch genug über ihre geheimsten Wünsche und Sehnsüchte, um es so perfekt wie eben möglich zu machen. Aber nur so perfekt wie eben möglich, es reichte nie ganz an die Vorstellungen und Gefühle von damals heran. Weil es äußerlich war, weil es sich nicht so im Innern ausbreiten konnte, wie ein Gedanke das tat. Und Heiko hatte ja auch mit ihr schlafen wollen. Er hatte es immer wieder gesagt. Daran mußte sie denken, als er ihr in der Diele gegenüberstand und sie anschaute. Nur anschaute, so wie früher auf dem Weg von der Bushaltestelle zur Straßenecke. Es war immer gewesen wie das Lied von den beiden Königskindern: Und konnten zusammen nicht kommen. Kein tiefes Wasser, nur ein Vater, der jeden Umgang mit ihm verbot. Der sich einiges einfallen ließ, um seinen Verboten den gehörigen Nachdruck zu verleihen. Und deshalb stand Heiko eben an der Straßenecke, wenn sie abends vom Bus kam, und schaute ihr entgegen. So viel Liebe im Blick, so viel Wärme, Sehnsucht und Verlangen. So viel Trauer. Sie hatte immer gewußt, was er dachte in den Sekunden, wenn sie auf ihn zukam, an ihm vorbeiging, sich von ihm entfernte, damals, in den ersten Wochen. Ganz genau hatte sie es gewußt, weil es im Grunde ihre eigenen Gedanken waren. Jetzt küsse ich dich. Ich lege den Arm um dich, ich gehe mit dir ins Haus, hinauf in dein Zimmer, wir legen uns aufs Bett. Ich ziehe dich aus, ganz langsam, Stück für Stück, damit du es genießen kannst. Ich schaue dich an dabei. Ich berühre dich. Und dann lag sie allein im Bett, von den Zehenspitzen bis unter die Haarwurzeln angefüllt mit Sehnsucht. Und mit

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