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Die Augen Rasputins

Die Augen Rasputins

Titel: Die Augen Rasputins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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töten. Er fiel auch nicht gleich in der Diele über sie her, folgte ihr ins Wohnzimmer, nachdem sie es geschafft hatte, sich der offenen Tür zuzuwenden. Er setzte sich in einen Sessel beim Tisch und schaute ihr zu, wie sie einen Cognacschwenker für ihn füllte.

    »Eh, nich’ so sparsam mit dem guten Zeug «

    sagte er. Da erst fiel ihr auf, wie nachlässig und verwaschen seine Sprache klang, er verschluckte einen Großteil der Endsilben. Vielleicht lag es an der Zeit, die er im Gefängnis verbracht hatte. Früher jedenfalls hatte sie das nie bemerkt. Aber so oft hatte sie seine Stimme damals ja auch gar nicht gehört. Nicht wirklich, und in Gedanken war sie immer vollkommen gewesen. In Gedanken war alles an ihm vollkommen gewesen. Sie setzte sich in den zweiten Sessel.

    »Nett hast du’s «, sagte er,»richtig gemütlich. «

    Er kippte den Cognac einfach so hinunter. Dann beugte er sich zum Tisch, stellte das Glas ab, betrachtete nachdenklich das Blumengesteck und rupfte die Blütenblätter von einer Margerite.

    »Sind wohl von deinem Mann, was? Bringt er dir oft Blumen mit? «

    »Die sind aus dem Garten «, sagte sie. Er zuckte mit den Schultern, und sie fragte hastig:

    »Magst du noch einen Cognac? Oder vielleicht lieber einen Kaffee? Wir haben nie zusammen Kaffee getrunken. «

    Es klang sehnsüchtig. Sie hörte es selbst ganz deutlich. Er hörte es auch und grinste wieder. Dann saßen sie sich in der Küche gegenüber. Er rauchte. Auch den zweiten Cognac hatte er einfach so hinuntergekippt. Der Kaffee war noch zu heiß. Er zog das alte Foto aus seiner Hemdtasche, faltete es auseinander und schob es ihr hin.

    »Jeden Tag hab’ ich mir das angesehen «, sagte er mit wehmütigem Unterton.

    »Ich hab’ mir immer vorgestellt, daß du so bleibst. Verrückt, was? Aber wenn man sonst nichts hat, und was hätt’ ich mir auch sonst vorstellen sollen! Ich dachte, du hättest mir vielleicht mal ’n Foto geschickt. Aber du hast mir ja nich’ mal geschrieben. «

    »Ich war krank, Heiko. «

    Er nickte, als sei ihm das bereits bekannt.

    »Hast dich aber gut erholt «, stellte er nach ein paar Sekunden fest, trank einen Schluck Kaffee und drückte die Zigarette auf dem Blumenuntersetzer aus. Kein Aschenbecher im Haus. Gegrinst hatte er darüber. Jetzt grinste er nicht mehr. Er wirkte so einsam und verloren. Und Ed hatte gesagt, er sei eiskalt und berechnend, eine Bestie, ein Mann, der einem mit einem Lächeln und ein paar sanften Worten das Messer in den Rücken stieß. An den Rand des Zeitungsfetzens waren ein paar Worte geschrieben.

    Es tut mir leid, Ed. Als Edmund den Sinn endlich erfaßte, hatte er für ein paar Sekunden das Gefühl, nicht durchatmen zu können. Es konnte einfach nicht sein. Das alte Zeitungsfoto allein sagte mehr aus, als ein dreiseitiger Brief es getan hätte. Und dieser eine Satz am Rand… Aber es war auch kein übler Scherz! Patrizia neigte nicht zu dieser Art von Humor. Es war außerdem eine ganz einfache Rechnung. Das Foto war im August gemacht worden, vor ziemlich genau sieben Jahren. Von einem der Zuschauer, die den Prozeß gegen Schramm verfolgten. Einer hatte es geschafft, eine Kleinbildkamera in den Gerichtssaal zu schmuggeln, hatte die Aufnahme dann meistbietend verkauft. Den Presseleuten war es ja nicht gestattet zu fotografieren.

    Es tut mir leid, Ed. Es war ganz ohne Zweifel Patrizias Handschrift. Die Worte waren mit einem billigen Kugelschreiber hingeschmiert. Der obere Bogen des ersten Buchstabens war fast völlig mit Tinte ausgefüllt. War es zuviel Mühe gewesen, sich ein vernünftiges Schreibgerät aus seinem Arbeitszimmer zu holen? Unsinn, so etwas überhaupt zu denken! Wahrscheinlich hatte Schramm ihr den Kugelschreiber in die Finger gedrückt und sie gezwungen… Warum? Was für einen Grund hatte dieses Scheusal gehabt, sie nach all den Jahren wieder zu belästigen? Die große Liebe, von wegen! Der wußte doch nicht einmal, wie man das Wort buchstabierte. Aber er war gekommen. Zwei benutzte Tassen, ein Cognacschwenker, die beiden Kippen auf dem Blumenuntersetzer, vor allem dieses verdammte Foto waren deutlich genug. Allmählich bekam Edmund seine Gedanken in den Griff. Sie hatte ihm einen Cognac angeboten, hatte Kaffee mit ihm getrunken. Um Zeit zu gewinnen, warum sonst?! Um die passenden Argumente zu finden, um ihn davon zu überzeugen, daß er wieder aus ihrem Leben verschwinden mußte. Sie war kein kleines Mädchen mehr, dem man mit ein bißchen süßen Schmus

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