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Die Augen Rasputins

Die Augen Rasputins

Titel: Die Augen Rasputins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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wurde sie volljährig. Und kam trotzdem nicht. Da geriet die Machtposition ins Wanken. Wie oft mochte Schramm sich wohl ausgemalt haben, was er alles mit ihr anstellen würde, wenn sich ihm erst die Gelegenheit dazu bot? Man mußte nicht Psychologie studiert haben, um erklären zu können, was Schramm zu diesem Besuch veranlaßt hatte, das drängte sich einem auch so auf. Wut, Rachegelüste, die Bestrafung des Ungehorsams. Als Edmund das Brennen im Rachen und das Zittern der Nasenflügel spürte, ein sicheres Zeichen dafür, daß ihm die Tränen kamen, riß er den Papierfetzen unter dem 7 Blumenuntersetzer heraus, faltete ihn im Hinausgehen zusammen, steckte ihn ganz mechanisch in die Hosentasche und verließ das Haus. Er kontrollierte nicht einmal mehr die oberen Räume. Er tat, was seiner Meinung nach jeder normale Bürger in solch einer Lage tun sollte. Er fuhr zur Polizei. Sich in dieser Situation erst noch bei Schwiegervater und Schwägerin nach Patrizias Verbleib zu erkundigen, wäre Zeitverschwendung gewesen. Dieser Dreckskerl hatte sie sich geholt. Und dafür konnte es nur einen Grund geben. Ganz ruhig, Ed, ganz ruhig! Das war gar nicht so einfach. Sie schickten ihn von einem Zimmer zum nächsten. Niemand war zuständig, niemand nahm ihn ernst. Eine Entführung? Lächerlich! Eine erwachsene Frau und ihr ehemaliger Liebhaber. Dieser Fetzen, das Geschmiere am Rand, das war ja wohl eindeutig genug. Ein Beamter in mittleren Jahren erbarmte sich und erinnerte sich schließlich auch daran, wer den Fall Schramm damals bearbeitet hatte. Edmund wurde noch ein Zimmer weiter geschickt. Sein Gesprächspartner war diesmal ein älterer Mann, Mitte bis Ende Fünfzig und dem äußeren Anschein nach ein geduldiger Zuhörer. Er hörte sich die erste Hälfte von Edmunds Bericht an, ohne dabei eine Miene zu verziehen. Als er ihn dann unterbrach, kam keine Zustimmung, auch keine Beruhigung, nur ein:

    »Nun nehmen Sie doch erst mal Platz, Herr Bracht. «

    Er wies auf einen abgewetzten Holzstuhl vor seinem Schreibtisch, lächelte Edmund aufmunternd zu und nickte leicht dabei. Dann schaute er sich den Zeitungsfetzen an.

    »Wie die Zeit vergeht «, murmelte er.

    »Hat er die Jahre schon abgesessen, was?! «

    Er ließ einen Laut folgen, von dem Edmund nicht wußte, ob es ein Lachen oder ein Ausdruck von Mißbilligung sein sollte. Es kam noch ein Seufzer hinterher.

    »Und Sie vermuten, Schramm hat sich bei Ihrer Frau gemeldet? «

    Edmund konnte nur nicken. Und er nickte auch, als der Polizist sich erkundigte, ob er alle anderen Möglichkeiten, Verwandtschaft, Bekannte, Freunde und so weiter, bereits abgefragt hatte. Ihm war immer noch so heiß. So fürchterlich heiß, daß er nicht denken konnte. Nur diesen einen Satz, und der erzeugte die Hitze: Wenn dieses Schwein sie angerührt hat… Und der Polizist hinter dem Schreibtisch wirkte so gemütlich. Er hatte sich nicht einmal vorgestellt. Oder vielleicht doch, und es war Edmund nur entgangen. Zu allem Überfluß meldete er auch noch Zweifel an.

    »Ich weiß gar nicht, ob der schon wieder draußen ist. Kann ich mir auch nicht vorstellen, da wären wir benachrichtigt worden. «

    Ein Lächeln, das zuversichtlich und aufmunternd sein sollte. Der Polizist hatte wohl im Laufe seiner Dienstjahre auch einen fetten Brocken Psychologie fressen müssen. Jedenfalls schien er zu wissen, daß ihm da jemand auf glühenden Kohlen gegenübersaß.

    »Aber keine Sorge «, erklärte er,»das kriegen wir schnell raus. «

    Jetzt sprach er bereits im Plural. Mach dich zu ihrem Verbündeten, zeig ihnen, daß du ganz auf ihrer Seite stehst. Das hilft ihnen über den ersten Schock hinweg und flößt ihnen Vertrauen ein. Edmund kannte die Tricks, er kannte sie alle. Aber verdammt, hier ging es um Patrizia. Und er liebte sie. Und sie ihn, ausschließlich ihn. Es war ein so herrlicher Abend gewesen gestern. Es konnte unmöglich der letzte gewesen sein. Sie wäre niemals freiwillig… Nicht nach dieser Therapie. Es war nicht so, daß Ed sich damals auf Anhieb in sie verliebt und nur deshalb zu ein paar üblen Tricks gegriffen hatte, um einen Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen. Niemand verliebt sich auf Anhieb in knappe achtzig Pfund Haut und Knochen. Und ein Konkurrent war Schramm für ihn nie gewesen, nur eine Herausforderung. Ed konnte sich doch nicht von einem dahergelaufenen Ganoven in die Schranken verweisen lassen. In ihrem Tagebuch war Schramm das Musterbeispiel des romantischen Liebhabers. Ein

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