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Die Augen Rasputins

Die Augen Rasputins

Titel: Die Augen Rasputins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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war ungefähr so, als hätte er Patrizia mit einer stark blutenden Wunde zum Arzt gebracht und jede Auskunft darüber verweigert, wo diese Wunde sich befand. Ed setzte zu einer Entgegnung an. Da bemerkte er die schweren Atemzüge. Paul kämpfte mit sich, ob er weitersprechen sollte. Es war ein harter Kampf. Ed gab sich geduldig. Nach mehr als einer Minute endlich die Erklärung:

    »Die Anklage lautete auf bewaffneten Raubüberfall und schwere Körperverletzung. «

    »Aha «, sagte Ed nur. Das konnte noch nicht alles gewesen sein. Das hätte Paul ihm noch vor der ersten Stunde mitteilen können. Als Paul keinerlei Anstalten machte, weiterzusprechen, erkundigte sich Ed mit erzwungener Ruhe:

    »Und wen hat er überfallen? «

    Paul seufzte.

    »Ich dachte, Sie hätten vielleicht in der Zeitung darüber gelesen. «

    »Habe ich nicht. «

    »Einen Goldschmied «, Paul sprach leise. Ed hatte Mühe, ihn zu verstehen, aber da stieg neben der Wut bereits eine Ahnung auf. Eine ungeheuerliche Ahnung. Noch ein Seufzer, dann bestätigte Paul sie:

    »Ihren Chef, Albert Retling. Er hat ihn ausgeraubt und zusammengeschlagen. Viel hat nicht gefehlt, und er hätte ihn totgeschlagen. «

    »Phantastisch «, murmelte Ed. Und etwas lauter:

    »Jetzt sagen Sie mir nur noch, daß Ihre Tochter Schramm auf die Idee gebracht hat, dann weiß ich alles. «

    »Nein «, fuhr Paul auf,»hat sie nicht. Sie hatte damit gar nichts zu tun. Sie war für ihn nur ein Mittel zum Zweck. Ausgenutzt hat er sie, darauf war er auch noch stolz. Sie hätten hören müssen, wie er sich vor Gericht damit gebrüstet hat. «

    Paul senkte den Kopf, seine Kiefer mahlten:

    »Aber dieses dumme Ding vergöttert ihn. Ich war bei jeder Verhandlung dabei, abends habe ich ihr davon erzählt. Sie lächelte immer, kein Wort hat sie mir geglaubt. Zur Urteilsverkündung habe ich sie mitgenommen. Aber da hat er den Mund nicht mehr aufgemacht, saß nur da und grinste. «

    Ed hörte mit wachsender Erregung zu. Es kam noch schlimmer. Paul hatte sich in Wut geredet, dachte nicht mehr darüber nach, was er sagen konnte und was er besser verschweigen sollte. Aber vielleicht war ihm auch gar nicht klar, was er mit seiner Radikalkur angerichtet hatte.

    »Seitdem habe ich ihr aus den Unterlagen vorgelesen. Ich dachte, irgendwann müssen ihr doch die Augen aufgehen. Aber sie hat nicht reagiert. «

    »Sie haben die Prozeßunterlagen daheim? «

    erkundigte sich Ed nur. Paul nickte flüchtig. Er war im Prozeß als Nebenkläger aufgetreten, gar nicht erst lange abwarten, bis irgendwer Vorwürfe gegen Patrizia erhob, gleich in die Offensive gehen. Er hatte einen Anwalt damit beauftragt, die Rechte seiner Tochter zu wahren. So war er in den Besitz der Akten gelangt. Als Ed verlangte, die Unterlagen einzusehen, schüttelte Paul den Kopf.

    »Wozu soll das gut sein? Jetzt wissen Sie doch Bescheid. «

    »Nicht ganz «, widersprach Ed.

    »Aber Sie können sich in Ruhe überlegen, ob Sie mir Einblick in die Akten geben oder ob Sie Ihre Tochter nicht lieber doch in eine Klinik bringen. «

    Das war Pauls wunder Punkt: die Klinikeinweisung. Seine Tochter eine Verrückte, der auf normalem Weg niemand mehr helfen konnte. Zwei Tage später brachte er Ed die Prozeßunterlagen. Sie waren nicht chronologisch geordnet. Das erste, was Ed zu Gesicht bekam, war das Plädoyer des Strafverteidigers, der behauptete, er sei ein labiler und leicht zu beeinflussender, im Grunde jedoch gutmütiger Mensch, dieser Heiko Schramm. Ein Mann, der sich von einem anderen dazu überreden ließ, eine günstige Gelegenheit zu nutzen. Der eines Tages ein junges Mädchen kennenlernte, das sich gar nicht vorstellen konnte, welche Gedanken das Wort Geld bei weniger gut Gestellten auslöste, das gleich beim ersten Zusammentreffen ganz freimütig von seinem Ausbildungsplatz erzählte. Und von den Werten, die dort lagen. Ein hübsches Mädchen aus geordneten Verhältnissen. Für Heiko Schramm die Verkörperung all dessen, was er selbst nicht erreichen konnte. Seine große Liebe, mit der er dann von einer gemeinsamen Zukunft träumte… In den Jahren mit Eddi waren die Monate mit Heiko so unwirklich geworden. Die Fahrten ins Blaue, das Flüstern und die Träume. Und all das, was danach gekommen war. Nichts davon war völlig verblaßt, es war nur weit weg gewesen. Und jetzt war es wieder da, alles. Seine Stimme, sein Gesicht, seine Augen. Die Trauer in seinem Blick. Und dieser Hauch von Sehnsucht und Verlangen. Als ob sich

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