Die Augen Rasputins
zitternd durch, schluckte heftig und schaute sie an, bittend und bettelnd, verzweifelt, wie es schien.
»Wenn er’s wenigstens vor Gericht zugegeben hätte, aber dazu war er zu feige. Warum meinst du wohl, hat der das große Zittern gekriegt, als ich mal zu ihm rüberguckte? Ist halt nich’ so einfach, einem ins Gesicht zu sehen und dabei so dreist weiter zu lügen. «
Er griff nach ihrer Hand, drückte sie für den Bruchteil einer Sekunde und beugte sich über den Tisch zu ihr herüber. Seine Stimme bekam etwas Beschwörendes.
»Aber eben, Püppi, ob du’s mir nun glaubs’ oder nich’, hat er sich bei mir entschuldigt, hat er tatsächlich gemacht. Richtig nett war er nachher, täte ihm leid, daß er mich damals so provoziert hat. Er hätt’ ja nich’ ahnen können, wieviel du mir bedeutest. Und jetzt tät’ ihm das wirklich sehr leid, weil’s mir doch ’n paar Jahre mehr eingebracht hat. «
Ihre Hand hatte er gleich bei den ersten Worten wieder losgelassen, nur noch einmal kurz darüber gestrichen, als wagte er es nicht, sie zu berühren. Er winkte ab, grinste verloren.
»Was soll’s. Schwamm drüber. Ist ja nich’ mehr zu ändern. Reden wir lieber von dir, erzähl mir doch mal was. Wie geht’s dir denn so? Bist du zufrieden? Wen hast du dir geangelt? 7 Scheint ganz gut bei Kasse zu sein, der Knabe. Was macht er? «
Sie erzählte ihm der Reihe nach. Die Monate nach dem Prozeß, keine lustvollen Phantasien mehr in den Nächten, nur das Damoklesschwert über ihrem Bett. Sieben Jahre! Und dieses entsetzliche Schuldgefühl. Und die kleinen Trösterchen im Nachttisch der Mutter, die Gedanken an die Ewigkeit. Vor allem dieser eine Gedanke, bei ihm sein zu können nach dem Sterben für immer und alle Zeit. Er hatte doch selbst einmal gesagt, daß die wahre Liebe nur im Tod Erfüllung findet. Und dann die Therapie, zwei Jahre mit Ed. Und damals war er nur Ed gewesen, der starke Mann, der weise Mann. Der Mann, der daran gewöhnt war, daß die meisten seiner Patientinnen sich irgendwann in ihn verliebten, der das einfach nicht zur Kenntnis nahm, bis es ihn dann mit ihr selbst erwischte. Eds Geständnis, ein paar Wochen ohne ihn. Sein Vorschlag, damit sie sich über ihre Gefühle klarwerden und er seine eigene Situation bereinigen konnte. Er war damals verlobt gewesen. Eine Beziehung, die seit langen Jahren bestand und längst in Gewohnheit erstarrt war.
»Es grauste mich plötzlich, daran festzuhalten «, hatte Ed gesagt. Dann sein Anruf, das erste richtige Rendezvous in einem Restaurant, anschließend ein Spaziergang im Stadtwald, wo er Eddi wurde. Ein Mann mit Erfahrung, an den man sich anlehnen konnte, sanft und geduldig, immer noch bereit, alles zu erklären, aber nicht mehr der Therapeut. Und als Eddi sie fragte, ob sie ihn heiraten wollte… Sie brauchte einen Menschen, der sie verstand, und es war doch sonst niemand dagewesen. Er hörte ihr zu, rauchte währenddessen die zweite Zigarette. Als sie dann wieder schwieg, lachte er und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch, als ob er sich amüsierte. Doch sein Gesichtsausdruck stand in krassem Gegensatz dazu.
»Püppi «, sagte er und lachte,»du bist köstlich. Läßt dich von so ’nem Typen ausquetschen. Ich wette, du hast dem in aller Unschuld erzählt, wie wir uns das immer ausgemalt haben und ihn damit ganz schön heiß gemacht. Diesen Psychoquatsch darf man nich’ unterschätzen. Wenn die erst mal wissen, was in einem vorgeht, wissen sie auch, wie sie einen nehmen müssen. «
Dann lächelte er sie an, so viel Trauer im Blick.
»Na ja «, ein Seufzer,»es ist nun mal passiert. Und wenn nich’ mit dem, dann mit ’nem anderen. Hätt’ ich mir eigentlich denken können. Du warst einfach zu jung, um so lang’ auf einen zu warten. «
Er trank seinen Kaffee aus und erhob sich. Es war eine sehr abrupte und doch fließend ineinander übergehende Bewegung, die sie leicht zusammenzucken ließ. Das Zeitungsfoto lag noch auf dem Tisch.
»Du kannst es behalten «, sagte er,»zur Erinnerung. Vielleicht denkst du ab und zu mal an mich. Kannst es auch wegwerfen, wenn dir danach ist. «
Er seufzte noch einmal, es klang nach Verzicht und Endgültigkeit, schaute auf sie hinunter. Sie saß immer noch auf dem Stuhl. Das Zucken im Unterleib hatte längst aufgehört, aber das Herz flatterte immer noch wie ein verschreckter Vogel.
»Willst du schon gehen? «
Ihre Stimme war rauh und ein wenig atemlos, sie klang heiser.
»Ich muß «,
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