Die Augen Rasputins
Menschenseele. Er hatte die beiden alten Leute erst gar nicht mit hierher gebracht. Wozu sich mit ihnen belasten, wenn man sie gleich in ihrem kleinen Häuschen aus der Welt schaffen konnte? Sie zuerst noch zwang, ein paar läppische Sätze auf Band zu sprechen. Und jetzt lagen sie da, erschlagen oder auf sonst eine scheußliche Weise umgebracht.
Und dann brachte er sie in die Küche, schickte den Dicken nach oben, damit der das Band einmal ablaufen ließ und dabei genüßlich zwei Teller Suppe in sich hineinschlang.
Schramm blieb nicht lange, nicht einmal zwei Minuten. In der Zeit klappte er die Liege für sie aus, prüfte mit den Händen, ob die Auflage nicht zu hart war. Bevor er ging, zog er sie an sich, küßte sie auf die Stirn. Sie konnte nicht atmen.
»Bis morgen, Püppi. «
Er bemerkte sehr wohl, daß etwas mit ihr nicht in Ordnung war, hielt sie ein Stückchen von sich ab, schaute ihr in die Augen.
»Was ist los, Püppi? Bist du sauer, weil ich jetzt
raufgeh’ und dich hier unten lasse? «
»Nein! «
Das zumindest brachte sie noch über die Lippen. In ihren Ohren klang es allerdings eher nach einem Würgen als nach einem verständlichen Wort.
Ihm schien das nicht aufzufallen.
»Ich dacht’ nur «, sagte er, wirkte ein bißchen verlegen dabei.
»Ist ja nicht die feine Art, sich in ein richtiges Bett zu legen und dir nur so ein Ding hinzustellen. Und ich hab’ mir das auch noch mal durch den Kopf gehen lassen, was du heut’ nachmittag gesagt hast.
Vielleicht meinst du ja, daß wir wenigstens zusammen schlafen könnten. Man muß ja nicht gleich aufs Ganze gehen. Nur so ein bißchen nebeneinanderliegen, wär’ bestimmt schön. «
Er lächelte, wirkte immer noch leicht verlegen dabei. Mit einer Hand strich er über ihre Schulter den Rücken hinunter. Die andere lag ruhig auf ihrer Hüfte. Sein Blick war ganz weich. Sie drückte die Stirn gegen seine Brust, weil sie ihn nicht länger ansehen konnte, rieb damit über den Stoff des Hemdes.
»Muß nicht sein «, flüsterte sie erstickt,»wenn du es nicht möchtest. Du hast ja recht, wir sollten uns ein bißchen Zeit lassen. Machen wir es so wie früher, ja? «
Sie hob den Kopf wieder, schaute ihn an, aber sie sah nicht, daß er nickte, sie sah ihn gar nicht. Da waren Blutspritzer, überall Blutspritzer und zwei verkrümmt liegende Körper auf dem Holzfußboden eines Wochenendhauses. Seine
Fingerspitzen strichen an ihrer Wirbelsäule entlang, erzeugten einen Schauer auf der Haut. Kein angenehmer Schauer, nur ein kalter, so kalt wie der Tod.
Unvermittelt ließ er sie los, ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um, spitzte die Lippen und deutete einen Kuß an.
»Mach nicht mehr so lange. Du brauchst deinen Schlaf. Schlaf gut. Ich bin bei dir. «
»Ich bin bei dir «, murmelte sie ebenfalls und schnitt eine Grimasse, von der sie annahm, daß sie wie ein Lächeln wirkte.
Sie schaute ihm nach, wie er die Stufen nahm, bis der Türsturz ihr die Sicht auf ihn versperrte. Schlaf gut! Keine Spur von Müdigkeit, jeder Nerv war gespannt. Horchen, jeden Laut aufnehmen. War da nicht ein Kratzen an der Tür, ein Schaben an der Hauswand? Sammelten sich die Polizisten da vorne?
Sie mußten inzwischen längst da sein. Und Ed war auch da.
Vielleicht hatten sie die Richtmikrofone dabei, mit denen sie die Geräusche aus dem Haus auffangen konnten. Dann warteten sie bestimmt, bis alles still war. Noch war es das nicht, der Dicke saß vor dem Fernseher. Sie konnte den Ton hören, obwohl er nicht allzu laut eingestellt war.
Hinlegen konnte sie sich nicht, setzte sich mit dem Block und den Stiften an den Arbeitstisch. Die Stahltür war offen. Das Licht in der Diele brannte noch. Sie begann zu zeichnen, einfach so, ein paar Kringel aufs Papier, ohne jeden Sinn. Und bereits das leise Kratzen des Stiftes störte.
Oben ging eine Tür, ein paar Schritte, dann seine Stimme. Er sprach mit dem Dicken.
»Ich geh’ rauf und hau mich da hin.
Kannst es dir ja hier unten gemütlich machen. «
Kein Wort von einer Stunde, zu der er wieder geweckt werden wollte. Keine Silbe von Wache halten und sich abwechseln dabei. Wozu auch? Mit nur einer Gefangenen im Keller, noch dazu eine, von der er annehmen mußte, daß sie nach seiner Pfeife tanzte. Sie preßte beide Fäuste vor den Mund, um sich am Schreien zu hindern.
Nach ein paar Sekunden beruhigte sie sich. Ed war da draußen, hundertprozentig, und mit seinen Gedanken war er bei ihr. Und was die Retlings
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