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Die Augen Rasputins

Die Augen Rasputins

Titel: Die Augen Rasputins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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an seine Lippen und begann die Fingerspitzen zu küssen.

    »Beruhigt? «

    murmelte er. Und als sie nickte, flüsterte er:

    »Ach, Püppi, hast du wirklich gedacht, ich hätt’ denen was getan? Sei ehrlich, du hast es gedacht. Mir kannst du doch nix vormachen, ich kenn’ dich doch. «

    Er sprach so leise, daß sie ihn kaum verstand, legte sich einen ihrer Finger an die Lippen und bedeutete ihr damit, nur ja nicht zu antworten. Auch dabei lächelte er noch. Oben ging die Wasserspülung der Toilette. Der Dicke sagte noch ein paar läppische Sätze. Antwort darauf bekam er nicht mehr. Auch Frau Retling war stolz. Im Geist sah sie sie über das Flurstück zurück zum Schlafzimmer gehen. Sah den Dicken die Tür schließen, den Schlüssel drehen. Und wie er ihn sich zurück in die Hosentasche steckte. Zu hören war nichts davon.
    Nur seine Schritte, als er die Treppe herunterkam. Kurz darauf stand er bereits in der Küche. Die beiden leeren Teller mit den Löffeln darin in einer Hand, das Tuch trug er über dem Arm.
    Auf dem roten Gesicht ein breites, zufriedenes Grinsen.

    »Diesmal waren sie artig «, sagte er zu Schramm. Er stellte die Teller ebenfalls in den Ausguß.

    »Was dagegen, wenn ich mir
    jetzt die Kiste anmache? «

    Als Schramm den Kopf schüttelte, ging der Dicke ins
    Wohnzimmer hinüber.

    »Wir sollten auch wieder, Püppi «, meinte er, ließ ihre Hand los und erhob sich. Sie stand ebenfalls auf, folgte ihm in die Diele und die Kellertreppe hinunter. Als sie gleich hinter ihm die Werkstatt betrat, ging er zur Esse und deutete auf die Goldbleche.

    »Ein paar Tage «, murmelte er dabei. Es klang in keiner Weise ungewöhnlich oder gar bedrohlich, trotzdem begann sie zu frösteln.

    »Bist du ganz sicher, daß du es in ein paar Tagen schaffst? «

    »Ich weiß nicht, Heiko, wahrscheinlich nicht. Vielleicht brauche ich eine Woche oder zwei. Vielleicht sogar drei. Ich kann es dir wirklich nicht sagen. Ich werde mir jetzt noch eine Zeichnung anfertigen. Morgen früh kann ich mit dem
    Auswalzen beginnen. «

    »Wenn ich dir bei irgendwas helfen kann «, sagte er, sprach den Satz nicht zu Ende, erklärte statt dessen:

    »Drei Wochen ist unmöglich. Die kriegen ’nen Koller da oben, ist dir doch klar, oder? «

    Sie nickte nur. Er ging zum Arbeitstisch, nahm das Tablett mit den angebissenen Broten, ging damit zur Tür.
    Im Hinausgehen sagte er:

    »Jetzt bring’ ich dir noch die Decke und was zum Zeichnen, und dann lassen wir’s gut sein für heute.
    Ich bin echt geschafft, du bist sicher auch müde. Ist ja auch schon spät. «

    Es war noch nicht einmal neun. Und ihr graute vor der Nacht.
    Wenn sie nur daran dachte, was alles geschehen konnte.
    Vielleicht wechselten sich die beiden Männer ab. Ganz bestimmt taten sie das. Einer schlief, einer hielt Wache, paßte auf, daß die Retlings nicht plötzlich das Fenster ihres
    Schlafzimmers öffneten und um Hilfe riefen. Daß sie selbst hübsch brav in der Werkstatt blieb.
    Und wenn er schlief. Und wenn der Dicke dann herunterkam.
    Er mußte nur die Tür zur Werkstatt hinter sich schließen. Dann konnte er über sie herfallen. Dann konnte sie sich die Lunge aus dem Hals schreien.
    Aber wenn er gleich die Decke brachte. Sie konnte ihn bitten, die Tür wieder hinter sich abzuschließen, wenn er hinaufging.
    Oder lieber nicht. Nicht eingesperrt sein, blind und taub für das, was im Haus vorging.
    Die Gedanken drehten sich wie ein irrwitziger Kreisel, immer nur um den einen Punkt. Nicht mehr um Schramm, nur noch um den Dicken. Und ganz plötzlich sah sie den Teller auf dem Tisch stehen. Den dritten Teller, den er für sich abgefüllt hatte. Er hatte ihn nicht angerührt, als er herunterkam, er war gleich ins Wohnzimmer gegangen.

4. Kapitel
    Ein paar Minuten später brachte Schramm ihr die Decke, einen Zeichenblock und eine Handvoll Stifte. Bis dahin drehte sich der Kreisel um einen Mann, der so aussah, als nähme er zu jeder Mahlzeit die doppelte Portion. Und um die doppelte Portion, um die beiden Teller, die er gefüllt hinaufgetragen und leer wieder heruntergebracht hatte. Und um das Tuch, das über seinem Arm hing. Es hatte doch keinen Grund gegeben, es abzunehmen! Und sie hatte doch Frau Retlings Stimme gehört, ganz klar und ganz deutlich. Vermutlich sogar die gleichen Worte, die sie am Nachmittag schon einmal gehört, von denen sie nur das letzte verstanden hatte. Kann ich ins Bad.
    Sie begriff das nicht. Oder viel zu gut. Ein Tonband!
    Da oben war keine

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