Die Augen
können, entwickeln die meisten von uns Abwehrmechanismen zur Bewältigung. Wenn wir … verständnisvolle oder wenigstens mitfühlende Angehörige und Freunde haben, sind diese Mechanismen normalerweise schlicht. Aber wenn wir das Gefühl haben, allein zu sein, isoliert, das Gefühl, uns von den Menschen um uns herum zu unterscheiden – besonders, wenn das schon ein Leben lang so geht –, dann können diese Abwehrmechanismen komplexer und umfassender sein. Ich vermute, Maggie gehört zur zweiten Gruppe.«
»Isoliert? Sie ist umgeben von Menschen, die bewundern, was sie tut«, wandte John ein. »Nicht einer von den Cops, mit denen ich gesprochen habe, hat etwas anderes als Respekt und Dankbarkeit gezeigt. Mensch, das war doch fast Ehrfurcht.«
»Ich bin sicher, dass sie dankbar sind. Und ich bin sicher, dass sie sie respektieren, weil sie ihnen dabei hilft, die Verbrecher zu fangen. Aber diese Ehrfurcht, die dir da aufgefallen ist, kann man auch anders interpretieren. Du kannst darauf wetten, dass die meisten dieser Cops nicht verstehen, wie sie das tut, was sie tut, und wo Unverständnis ist, ist häufig auch Angst. Besonders vor etwas, das aussieht wie Zauberei. Du kannst außerdem darauf wetten, dass Maggie genau weiß, was sie empfinden.«
»Es scheint ihr nichts auszumachen«, meinte John. »Auf der Wache war sie sehr selbstbewusst, überhaupt nicht unsicher.«
»Logisch – dort. Ich schätze, sie kann sich gut in die Leute einfühlen und sie bekommt bestimmt relativ leicht einen guten Draht zu ihnen, wenn sie das will. Aber am stärksten ist ihre Wahrnehmung an einem Ort, an dem etwas Gewaltsames geschehen ist. Wie hier.« Quentin ging für einen Augenblick in die Hocke, um den Boden dort, wo die Matratze gelegen hatte, genauer zu untersuchen.
»Wie ist das möglich?«
»Nun, eine Theorie lautet, dass Gedanken und Emotionen eine regelrechte elektrische Signatur innewohnt, eine Energie, die sich in Gegenständen oder in einem bestimmten Gebiet speichert, besonders wenn das, was in diesem Gebiet erlebt wurde, sehr intensiv oder gewalttätig war. Wenn man es recht bedenkt, dann erklärt das eine ganze Menge der so genannten Geistersichtungen von Schlachten oder Soldaten. In Europa gibt es Orte, von denen manche Leute schwören, dass dort immer noch römische Soldaten aus der Antike herummarschieren.«
»Du glaubst nicht an Geister?«
»Wenn du damit meinst, ob ich glaube, dass die Toten eine Existenz jenseits des Körperlichen haben – doch, das glaube ich. Aber ich bin auch davon überzeugt, dass, was die meisten Menschen für Geister halten, eigentlich jene elektrischen Signaturen sind, von denen ich gesprochen habe. Es gibt Orte, an denen sich gewalttätige Dinge ereignet haben, und manche dieser Orte speichern – aus Gründen, die wir noch nicht kennen – diese Energie. Die meisten können sie wohl nicht sehen, weil die Menschen dazu tendieren, ihre Sinne nur auf die einfachste und beschränkteste Weise einzusetzen. Aber manche Menschen sind offenbar empfindsam genug. Sie können diese Energie fühlen und möglicherweise auch interpretieren. Ein grober Vergleich: Denk mal an die statische Aufladung an einem kalten, trockenen Tag. Sie tritt erst in Erscheinung, wenn du etwas berührst und die Energie sich entladen kann.«
»Willst du damit sagen, Maggie sei eine Art Kanal?«
»Mehr oder weniger. Wenn Gegenstände elektrische Energie aufnehmen können , dann ist es nur logisch, davon auszugehen, dass sie sie für gewisse Zeit speichern, bis sie auf natürliche Weise abgeleitet wird oder sich durch irgendeinen Kontakt entladen kann.«
»So wie du es formulierst, klingt es wie eine logische Gleichung.«
Quentin richtete sich auf und dehnte geistesabwesend verkrampfte Muskeln. »In gewisser Weise ist es das auch. Hör auf, es für Zauberei, für etwas Übernatürliches zu halten; nimm das, von dem du weißt, dass es wissenschaftlich erwiesen ist, und erweitere das noch ein Stückchen, dehn es aus bis zum nächsten logischen Schritt. Im Grunde sind unsere Gedanken doch nichts anderes als elektrische Energie, die vom Gehirn interpretiert wird. Richtig?«
»Richtig.«
»Okay. Dann ist es doch absolut rational, davon auszugehen, dass es nicht nur unglaublich talentierte Musiker und Wissenschaftler gibt – Menschen, die mit erstaunlichem Wissen und verblüffenden Fähigkeiten geboren zu sein scheinen –, sondern dass auch Menschen mit einer außergewöhnlichen Sensibilität für die Art von Energie
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