Die Augen
war.
Den Instinkt eines Cops nannte Scott das.
Was war es also? Alles sah völlig normal aus: Ein paar Polizisten betraten das Gebäude oder kamen heraus, ein paar Zivilisten gingen flott auf dem Bürgersteig vorbei. Sonst geschah nicht viel. Ein leichter Wind bewegte die Bäume in der Nähe, die kahlen Äste rieben aneinander, und die letzten toten Blätter, die ihnen noch blieben, raschelten trocken.
Jennifer erschauerte und zog den Reißverschluss ihrer Jacke ganz hoch. »Du wirst allmählich schreckhaft, Seaton«, murmelte sie. Als ob sie hier auf dem Parkplatz der Polizeiwache auch nur theoretisch in Gefahr sein könnte. Das war absurd. Doch sie musste einfach einen Blick über die Schulter werfen, als sie ihren Wagen aufschloss, und sie unterwarf die Rückbank einer genauen Prüfung, ehe sie einstieg.
Natürlich war da niemand. Doch als sie den Zündschlüssel ins Schloss steckte, erblickte sie ein gefaltetes Stück Papier auf dem Armaturenbrett, das hundertprozentig nicht da gelegen hatte, als sie allein vom Mittagessen zurückgekommen war und den Wagen abgeschlossen hatte. Wie immer um diese Jahreszeit trug sie Handschuhe, und so zögerte sie nicht, den Zettel vorsichtig auseinander zu falten.
Auf dem Papier standen zwei handgeschriebene Zahlen. Jahreszahlen?
1894
1934
Lange starrte Jennifer das Papierchen an und dachte fieberhaft nach. Das Jahr 1934 – immer vorausgesetzt natürlich, es handelte sich um Jahreszahlen – war das Jahr der unvollständigen Akten, dessen Mordfälle sie gerade recherchierten, und das konnte kein Zufall sein.
Oder?
Bezeichnete die andere Jahreszahl ein Jahr, indem ähnliche Verbrechen stattgefunden hatten? Kopierte ihr brutaler Vergewaltiger tatsächlich Verbrechen aus der Vergangenheit, wählte seine Opfer so aus, dass sie den bedauernswerten Frauen, die ein früherer bestialischer Vergewaltiger überfallen und sterbend zurückgelassen hatte, stark ähnelten? Verlieh er dem Ganzen nur noch eine persönliche Note, indem er seine Opfer blendete?
Wenn ja, warum? Welche krankhafte Regung veranlasste ihn dazu, zumindest teilweise alte, unaufgeklärte Verbrechen nachzuahmen? Weil sie unaufgeklärt waren? Weil er glaubte, auch er könne diese Verbrechen begehen und damit davonkommen?
Konnte es so einfach sein?
Die Möglichkeit an sich war beunruhigend genug. Noch verstörender fand Jennifer die Gewissheit, dass jemand diese Notiz in ihr Auto gelegt hatte, während es abgeschlossen wenige Meter von der Polizeiwache entfernt gestanden hatte. Jemand, der anscheinend deutlich mehr über diese Serie brutaler Vergewaltigungen wusste, als die Polizei bisher herausgefunden hatte.
Wer? Und stellte diese Notiz den Versuch dar, der Polizei zu helfen?
Oder war es die direkte höhnische Herausforderung eines Raubtiers, das mehr Jäger war … als Gejagter?
»Sie ist weg«, sagte John, als er sich in dem kalten leeren Zimmer im ersten Stock wieder zu Quentin gesellte.
»Das habe ich dir doch gesagt.« Quentin ging langsam im Zimmer umher, die Taschenlampe auf den Boden gerichtet. Dieser Untersuchung schien der Großteil seiner Aufmerksamkeit zu gelten. Dennoch sprach er mit sachlicher Stimme weiter. »Kämpfen oder fliehen. Kämpfen konnte sie nicht, also ist sie weggelaufen. Ich könnte mir vorstellen, dass sie einen Ort hat, an dem sie sich halbwegs sicher und geborgen fühlt. Da muss sie jetzt hin und wenigstens für eine Weile bleiben.«
John runzelte die Stirn, während er seinen Freund beobachtete. Es war noch nicht völlig dunkel im Zimmer, und er konnte Quentin recht gut sehen. »Hast du mich deshalb festgehalten, als ich ihr hinterherlaufen wollte? Weil sie irgendwohin musste, wo sie sich sicher fühlt?«
»Und weil ich wusste, dass du sie bedrängt hättest.«
»Wovon redest du? Sie bedrängen, wie denn?«
»Sie bedrängen, dir zu erzählen, was auch immer sie in diesem Raum erfahren hat – Informationen, die uns helfen könnten, Antworten zu finden. Du bist davon überzeugt, dass sie uns helfen kann, diese Antworten zu finden, und du neigst dazu vorzupreschen, ohne Zeit zu verlieren, wie du es auch bei deinen Geschäften tust. Und ich sage dir, dass das bei Maggie die falsche Taktik wäre. Ob’s dir gefällt oder nicht, bei ihr müssen wir sehr vorsichtig sein. Sie wird uns helfen, in ihrer eigenen Geschwindigkeit und auf ihre Weise – genauso wird es geschehen.«
»Warum? Weil sie begabt ist?«
»So ziemlich, ja. John, um mit dieser Sache leben zu
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