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Die Augen

Die Augen

Titel: Die Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hooper
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Schmutz, Moder, dem Muff von jahrelangem Kochen und Leben.
    Und Blut.
    Schwer stieg ihr der kupferartige Gestank in die Nase und drohte, sie zu ersticken. Am Boden sah sie nur die schwache braune Spur, von der Quentin gesprochen hatte, doch was sie roch, war noch immer warm und feucht und klebrig.
    Unauffällig bemühte sich Maggie, durch den Mund zu atmen. Konnte Quentin das wirklich riechen, oder hatte er nur gewusst, dass sie es konnte?
    »Den Berichten zufolge«, sagte John, schaltete seine Taschenlampe ein und leuchtete damit ihre Umgebung aus, »hat die Polizei hier nichts gefunden. Zumindest nichts, was sie als Beweis betrachtet hätten.«
    »Genau wie seine anderen Abladeplätze, was?« Quentin sprach so sachlich wie John. Er schaltete seine eigene Taschenlampe ein und ging neben der immer wieder unterbrochenen Blutspur voran zur Treppe.
    »So hat man mir gesagt. Drummond behauptet, er habe ein sehr leistungsfähiges Spurensicherungsteam, und sie haben einen soliden Ruf. Ihren Berichten zufolge haben sie das gesamte Gebäude durchkämmt und noch einen Häuserblock weit im Umkreis gesucht. Nichts.«
    Nichts, dachte Maggie, außer Hollis Templetons Blut. Sie konzentrierte sich darauf, ihre Taschenlampe einzuschalten, darauf, hinter Quentin und vor John die Treppe hinaufzugehen, wobei sie alle vermieden, auf die Blutspur zu treten. Sie verspürte das vertraute innere Beben, den kalten Klumpen in der Magengrube, und ihre Beine fühlten sich steif und unbeholfen an. Dann wurde sie sich, zunächst nur von ferne, stechender wie auch dumpfer Schmerzen bewusst, die langsam zunahmen, bis sie in ihr pulsierten.
    Die Dunkelheit kam anfallartig, dauerte aber nur je ein, zwei Sekunden. Maggie ging stetig weiter, ohne sich diese flüchtigen Augenblicke von Blindheit anmerken zu lassen.
    Der Geruch wurde stärker.
    Sie hatte gehofft, dass durch den zeitlichen Abstand von drei Wochen alles ferner und unwirklicher sein würde, dass sie dies durchstehen könnte, ohne diesen beiden Männern ihren Schmerz zu offenbaren, doch das schien immer unwahrscheinlicher.
    Oben angekommen, leuchtete Quentin mit der Taschenlampe einen Korridor entlang zur Rückseite des Hauses. »Sie wurde in einem Zimmer an der Rückseite des Hauses zurückgelassen. Sonderbar, wirklich. Warum hat er sie die ganzen Stufen raufgetragen? Warum hat er sie nicht einfach unten liegen gelassen?«
    Leise und halb unbewusst antwortete Maggie: »Er wollte, dass sie sich den ganzen Weg bis zur Tür schleppen muss.«
    Beinahe ebenso leise fragte Quentin: »Warum wollte er das?«
    Sich der Frage nur undeutlich bewusst, ging Maggie an ihm vorbei. Sie folgte der Blutspur den Korridor entlang, die Taschenlampe auf den Boden gerichtet, bis sie sich in einem Zimmer wiederfand. Wie das übrige Haus hatte es außer abblätternder Farbe und zerfetzten Tapeten nicht viel zu bieten. Durch ein zerbrochenes Fenster erhielt der Raum Licht, wenn auch nicht viel. Sie ging in die Zimmermitte und richtete die Taschenlampe auf eine der hinteren Ecken. Dort endete die Blutspur, und eine grob rechteckige weniger staubige Stelle am Boden deutete darauf hin, dass hier eine Weile etwas gelegen hatte.
    »Da war eine Matratze«, sagte John. Er sprach leise, dennoch ließ seine Stimme sie in der Stille zusammenschrecken. »Da hat er sie zurückgelassen. Die Polizei glaubt, dass er sie nicht mitgebracht, sondern hier vorgefunden hat. Natürlich haben sie sie mitgenommen.«
    Eine Weile stand Maggie steif da, hätte am liebsten gegen alles angekämpft, was sie fühlte, und versuchte doch, es nicht zu tun. Es überkam sie in Wellen: der Gestank nach Blut, das, zuerst warm und klebrig, unter der Berührung des eisigen Windes gerann und abkühlte. Und die Schmerzen, in sämtlichen Abstufungen, heftige Stiche und dumpfe Schmerzen, und die wachsenden Qualen, die ebenso psychisch wie körperlich waren. Und die immer wiederkehrenden Anfälle von Dunkelheit, die jetzt mehrere Sekunden dauerten, grauenvolle Dunkelheit voller Entsetzen und Panik und Verlust – solch ein Verlust …
    Ihre Begleiter hatte sie vergessen. Sie schrak zusammen, als John sie am Arm packte. Sie hustete. Wann hatte sie begonnen zu husten?
    »Maggie?«
    »Ich muss … raus aus …« Sie riss sich los und torkelte auf die Tür zu. Beinahe wäre sie gestolpert.
    John wollte ihr nachgehen, doch Quentin hielt ihn am Arm fest.
    »Hoppla«, murmelte er leise.
    John betrachtete ihn im Dämmerlicht und sah überrascht so etwas wie Ehrfurcht

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