Die Auserwaehlte
Königin schwieg. Arakasi holte erleichtert und hörbar Luft und versuchte, so etwas wie Sicherheit auszustrahlen. »Sollte Gefahr drohen, werden uns diese Soldaten ebenso beschützen wie ihre Königin.« Keyoke nickte angesichts der Logik dieses Satzes, trat aber dennoch näher zu seiner Herrin.
Die alte Königin auf dem Podest klickte und zuckte mit einem der unteren Gliedmaßen. Als Antwort auf ihren Befehl verließ Lax’l den Platz zu ihren Füßen und eilte davon.
Mara, die ihn beobachtete, fragte sich, ob sie sich jemals würde auf die Geschwindigkeit einstellen können, mit der die Cho-ja sich fortbewegten, wenn es nötig war. Sie gäben sicher unschlagbare Boten ab, ein Gedanke, der sie an einen Reim aus ihrer Kinderzeit erinnerte, den Nacoya ihr des öfteren vorgetragen hatte: » … die Cho-ja sind die ersten mit Neuigkeiten und frühem Obst.« Das Lied war nichts als Unsinn und galt bei den Tsurani allgemein als Kinderkram. Mara war sich inzwischen jedoch nicht mehr so sicher, ob es nicht doch ein bißchen Wahrheit enthielt.
Lax’l kehrte zurück, noch bevor sie den Gedanken weiterverfolgen konnte. Er tauschte schnelle, pfeifende und klickende Geräusche mit seiner Königin aus, dann wischten die nächsten Worte der Königin alle Überlegungen an Gutenachtgeschichten aus Maras Gedanken.
»Lady Königin der Acoma«, sagte die Herrscherin der Cho-ja, »ein anderer Lord ist eingetroffen und bittet ebenfalls die neue Königin um die Ehre, ihren Stock auf seinem Land zu errichten.«
Sechs
Zeremonie
Mara erstarrte.
In einer einzigen Woge wallten Bestürzung, Enttäuschung und Wut in ihr auf; dann verdrängte Furcht alles andere. Auf irgendeine Weise hatte noch jemand von der neuen Königin erfahren.
Wenn die Neuigkeit sich willkürlich im ganzen Kaiserreich ausgebreitet hatte, war es gut möglich, daß mehr als nur eine Familie zu dem Schwarm in den Bergen reisen würde. Wer immer dort oben wartete, würde dann nur der erste von vielen sein. Doch selbst wenn die Kunde sich nicht so schnell verbreitet hatte, war die vor dem Eingang wartende Person ein schlechtes Zeichen, denn dann hatte der Lord der Inrodaka vermutlich einen besonders engen Freund eingeladen, damit dieser als erster der neuen Königin ein Angebot für ihren Schwarm machen konnte. Ganz sicher würde der Lord der Inrodaka nicht sehr erfreut darüber sein, daß sich Eindringlinge auf seinem Gebiet befanden und seinen Verbündeten zuvorgekommen waren. Mara war klar, daß sie, ob mit oder ohne positive Entscheidung der jungen Königin, durch das Gebiet eines feindlich gesinnten Lords zurückkehren mußten, der von ihrer Gegenwart wußte. Noch beängstigender war die Vorstellung, irgendein Spion der Minwanabi könnte von Maras Vorhaben erfahren und einen Boten mit der Nachricht zu seinem Herrn geschickt haben. Vielleicht wartete Jingu höchstpersönlich dort oben, um mit der jungen Königin zu verhandeln.
Mara bemühte sich, ihre Anspannung vor den beiden Königinnen zu verbergen, und holte tief Luft. Ihre Kehle fühlte sich so trocken an wie Sand, selbst dann, als ihr ein Spruch von einer der lehrenden Mütter im Tempel einfiel: »Furcht ist wie ein kleiner Tod, Tochter. Sie tötet in winzigen Stückchen.«
Mara wurde ruhiger und blickte die alte Königin an. »Hochverehrte Herrscherin«, sagte sie, »Ihr sollt wissen, daß ich zutiefst entschlossen bin, die Loyalität dieses neuen Schwarms zu gewinnen. Die Ländereien der Acoma sind reich und weitläufig, und ein anderer Lord im Kaiserreich wird Euch schwerlich ein besseres Angebot unterbreiten können als ich.«
Die alte Königin auf dem Erdhügel schnaufte durch ihre Nasenschlitze; es war die Cho-ja-Entsprechung eines menschlichen Lachens. »Loyalität? Herrscherin der Acoma, dieses Konzept teilt meine Rasse nicht. Arbeiter, Krieger, Rirari – sie alle tun, was ihrer Natur entspricht, weil ohne den Schwarm nichts existieren würde. Eine Königin ist die alleinige Gebieterin eines Schwarms, und Verträge schließen wir zu den bestmöglichen Bedingungen ab. Wir dienen immer nur dem mit dem höchsten Angebot.«
Mara war sprachlos über diese Offenbarung. Unbeabsichtigt hatte die Königin etwas enthüllt, was sich kein Tsurani im Kaiserreich jemals hätte vorstellen können. Die gesamte tsuramsche Gesellschaft hatte immer geglaubt, daß die Cho-ja jenseits gewisser menschlicher Gefühle wären, daß Ehre die unerschütterliche Basis ihres Lebens bildete. Doch jetzt entpuppte sich all
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