Die Auserwaehlte
Größe der Königin, die beinahe bis zur Decke reichte, war geradezu überwältigend. Mit schierer Willenskraft hielt Mara sich auf den Beinen und wartete, während ein Sklave aus ihrer Gefolgschaft ihr einen juwelenbesetzten Umhang um die Schultern legte. Sie versuchte so gelassen und ruhig wie möglich zu erscheinen, als die Königin sie aufmerksam und eindringlich betrachtete. Die dunklen Facettenaugen spiegelten keinerlei Ausdruck wider. Nach außen hin wirkte Mara ruhig, doch ihre Knie begannen zu zittern, als der Sklave zurücktrat. Dann sprach die Königin mit einer überraschend leichten und zarten Stimme, die so gar nicht zu ihrer massigen Gestalt passen wollte. »Ihr seid die menschliche Königin?«
Mara verneigte sich leicht, und die Juwelen auf ihren Ärmeln blitzten im Dämmerlicht auf. »Ich bin Mara, Herrscherin der Acoma. Wir haben keine Königinnen wie Ihr, aber ich regiere über mein Haus in der gleichen Art wie Ihr über Euren Schwarm.«
Die Königin gab ein eigenartiges Geräusch von sich. Ihr Chitinpanzer bewegte sich nicht, doch ihr Gesicht schien Erheiterung auszudrücken, und der Laut hatte Ähnlichkeit mit einem menschlichen Lachen.
»Ich habe nicht angenommen, daß Ihr auf die gleiche Weise brütet wie wir, Mara von den Acoma. Ich weiß von Euren merkwürdigen Paarungsgewohnheiten. Ich bin sehr alt. Aber ich habe immer nur von Herrschern gehört. Wie kommt es, daß Ihr regiert und nicht die Männchen, die Euch begleiten?«
Mara erklärte, daß nur dann, wenn es innerhalb einer edlen Familie keine männlichen Erben gab, ein weibliches Mitglied an die Macht gelangte. Die Königin lauschte und sagte, als Mara geendet hatte: »Ihr Menschen seid so fremd. Wir fragen uns oft, wieso Ihr Euch so verhaltet. Aber ich schweife ab. Die neue Königin, meine Tochter, ist neugierig darauf, eine menschliche Königin zu sehen, vor allen Dingen eine, die sich aus Achtung vor unseren Sitten unter die Erde wagt.«
Jetzt ließ die alte Königin ein lautes, schrilles Pfeifen ertönen, und zwei Arbeiter der Cho-ja traten vor. Zwischen sich führten sie eine Cho-ja, die kleiner war als alle anderen dieser Wesen, die die Menschen bisher zu Gesicht bekommen hatten. Mara sah sie einen Augenblick verwirrt an, bevor sie begriff. »Dies ist die neue Königin?«
»So habe ich auch einmal ausgesehen, vor langer Zeit. Sie wird wachsen und innerhalb von einigen Wochen wird sie groß genug sein, um herrschen zu können; wenige Monate später wird sie mit der Reproduktion beginnen.« Die junge Königin blickte Mara an; sie ging um sie herum, um sie von allen Seiten betrachten zu können. Sie schien sich mit einer außerordentlichen Anmut zu bewegen, wie sie kein anderer Cho-ja bisher gezeigt hatte; ihre Schritte waren fließend, ja geschmeidig, ohne die hastigen Bewegungen der Arbeiter und Soldaten. Die neue Königin wandte selbst, als sie in der klickenden Sprache ihres Volkes sprach, niemals die Facettenaugen von Mara ab. »Wenn unsere Jungen geboren werden, besitzen sie bereits die Kenntnis unserer Sprache, Eure dagegen müssen sie nach der Brut erst noch lernen. Es wird noch einige Zeit dauern, bis meine Tochter Eure Sprache verstehen wird.«
Die musternden Blicke der jungen Königin machten Mara befangen und unsicher, dennoch verhielt sie sich ruhig und wartete ab. Endlich beendete die junge Königin die Prüfung, gab noch einmal einige klickende Laute von sich und blieb dann still stehen. Die alte Königin antwortete rasch und übersetzte dann ins Tsurani. »Sie meint, Ihr seht alle so fremd aus – beängstigend.« Sie wandte sich an Mara. »Allerdings seht Ihr weniger beängstigend aus als die Männchen.«
Mara verneigte sich leicht vor der neuen Königin. »Bitte sagt ihr, daß ich sie wunderschön finde.« Die Bemerkung war keine bloße Schmeichelei, auch wenn die junge Kömgin eines Tages so monströs wie ihre Mutter werden würde. Im Augenblick war sie von feiner Statur und hübsch anzusehen. Im Unterschied zu den blaugetönten Männchen glänzte ihr Chitinpanzer in einem satten Kastanienbraun, und sie hatte etwas an sich, das Mara nur weiblich nennen konnte.
Die alte Königin übersetzte, und die junge trillerte vor Vergnügen. Mara fuhr fort: »Wir sind gekommen, um zu verhandeln. Wir würden die neue Königin und ihre Gefolgschaft gerne einladen, auf unserem Land einen neuen Stock zu errichten. Wir möchten so bald wie möglich mit den Verhandlungen beginnen.«
»Ich verstehe nicht. Die Verhandlungen
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