Die Auserwaehlte
aufzubrechen. »Geht nun, Mara von den Acoma. Mögen Eure Götter Euch Wohlstand und Ehre bescheren, denn Ihr seid gütig mit unserer Rasse umgegangen.«
Mara sprach mit einem tiefen Gefühl der Erleichterung: »Und möge Euer Schwarm weiterhin an Wohlstand und Ehre gewinnen.«
Lax’l trat nach vorn, um die Menschen wieder an die Oberfläche zu geleiten. Die Königin wandte nun ihren Blick ab; sie war wieder mit den Angelegenheiten ihres Schwarms und den komplizierten Entscheidungen des Brütens beschäftigt. Mara sank in die Kissen ihrer Sänfte zurück; sie zitterte leicht von den Stunden unaufhörlicher Anspannung, aber endlich konnte sie der Erschöpfung nachgeben. Sie gab ihrer Eskorte ein Zeichen, und alle setzten sich in Bewegung. Während sie zurück zum Ausgang gingen, hatte sie nacheinander das Gefühl, erst laut lachen und dann laut weinen zu müssen. Die jetzt ausgestreute Saat würde eines Tages reiche Früchte tragen, denn sie hatte geeignete Mittel gewonnen, um weit über Jicans bereits beeindruckende finanzielle Grundlagen hinaus den Wohlstand der Acoma zu mehren. Der Seidenhandel im Süden war noch nicht richtig etabliert; Seide aus dem Norden tauchte in unterschiedlicher Qualität und Verfügbarkeit auf. Mara wußte nicht, wie sie diese junge Königin davon überzeugen sollte, die Seidenproduk-tion zur Hauptbeschäftigung ihres Schwarms zu machen, aber sie würde eine Lösung finden. Die Acoma-Seide, die ganz in der Nähe der wichtigen Marktplätze des Südlandes hergestellt werden würde, könnte eines Tages den Handel beherrschen.
Dann legte sich ihre überschwengliche Freude etwas, als ihre Träger sie durch die dunklen, intensiv riechenden Tunnel des Cho-ja-Stocks trugen. Es blieben kaum zwei Wochen für die umfangreichen Vorbereitungen, die eine Hochzeit zwischen zwei großen Häusern gewöhnlich mit sich brachte. Auch wenn die Bemühungen der vergangenen Nacht dem Reichtum der Acoma zugute kamen – er würde bald einem anderen übergeben werden, dem Sohn eines ihrer erbittertsten Feinde. Grübelnd saß Mara im Schutz der Vorhänge in ihrer Sänfte; von all ihren Handlungen seit dem Tode ihres Vaters und ihres Bruders barg die Hochzeit mit Buntokapi die größten Risiken.
Sie ließen die letzte Kreuzung hinter sich: langsam wurde es im Tunnel heller. Durch die dünnen Vorhänge der Sänfte konnte Mara die Sonne durch die Bögen am Eingang zum Stock hindurchschimmern sehen. Die Verhandlungen mit den Königinnen der Cho-ja hatten sich die ganze Nacht hingezogen. Die Augen des Mädchens schmerzten, als sie sich an das greller werdende Licht anpaßten, und sie war ganz benommen vor Müdigkeit. Zufrieden lehnte sie sich zurück und begann zu schlummern, während Keyoke seine Eskorte antreten ließ und die Sklaven und Krieger auf den langen Marsch nach Hause vorbereitete. So bemerkte sie die Unruhen erst, als ihre Sänfte ruckartig stehenblieb und das Zischen aus der Scheide gezogener Schwerter erklang.
Alarmiert schoß Mara hoch. Sie griff gerade nach dem Vorhang, als die wütende Stimme eines Fremden erscholl.
»Ihr Diebe! Nehmt die Strafe für Eure Verbrechen entgegen!«
Mara fröstelte vor Furcht und Wut, und sie schob den Gazevorhang beiseite. Keyoke und die Krieger der Acoma warteten mit gezogenen Schwertern, bereit zum Kampf. Ein Stück vor ihnen stand der weißhaarige Lord der Inrodaka, rotgesichtig, zerzaust und wütend wegen der Nacht, die er hatte im Freien verbringen müssen. Schnell versuchte Mara die Größe seines Gefolges einzuschätzen. Es war eine ganze Kompanie, mindestens zweihundert Soldaten, die aber nicht alle das Rot der Inrodaka trugen. Etwa die Hälfte war im Purpur und Gelb der Ekamchi gerüstet. Der alte Lord schob sein Kinn vor und richtete das schmuckvolle Schwert, ein Erbstück seiner Familie, auf sie. »Lady der Acoma! Wie könnt Ihr es wagen, ohne Erlaubnis das Land der Inrodaka zu betreten! Eure Kühnheit übersteigt Eure Macht, zum Kummer und zur Schande Eures Namens. Ihr werdet bitter dafür bezahlen, daß Ihr den Schwarm der Königintochter gestohlen habt.«
Mara begegnete der Anschuldigung mit einem Ausdruck kühler Gelassenheit: »Eure Worte zeugen von wenig Nachdenken und noch weniger Ehre.« Sie blickte den fetten Mann an der Seite des Herrschers der Inrodaka an und vermutete, daß es sich bei ihm um den Lord der Ekamchi handelte. »Das Gebiet um diesen Stock gehört niemandem – laßt Euren Hadonra ruhig die Archive in Ketosani durchwühlen, wenn
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